Zu schade für den Müll

Defekte Dinge instand zu setzen, statt sie wegzuwerfen, liegt im Trend. In einigen Regionen erhalten Verbraucher dafür staatliche Zuschüsse und in Repaircafés Hilfe zum Selberreparieren.

Text: Daniela Eckstein

Nicht zu reparieren: Das kam bei dem kleinen Massivholzhocker Marke Shabby Chic nicht infrage. Er stammte von einem Flohmarkt in der Provence und gehörte einfach in diesen Haushalt. Die Querverstrebung war ausgerissen, und der Schreiner verlangte für die Instandsetzung happige 70 Euro. Doch günstiger hätte man ein so charmantes Altertümchen auch übers Internet nicht bekommen. Da dem Eigentümer für „do it yourself“ aber Zeit und Erfahrung fehlten, bekam der Handwerker den Auftrag.

Immer mehr Menschen denken darüber nach, ob sich eine Reparatur nicht doch lohnen könnte. Dies ist ein neuer Trend, denn viele Jahre lang kaufte man lieber neu, wenn etwas kaputtging. Vor allem bei Elektronik: Produzierte der Drucker öfter Papierstau oder blieb der Toaster kalt, landete das Gerät schnell im Müll.

Es hängt vom Einzelfall ab

Doch inzwischen meldet sich bei vielen Verbrauchern das schlechte Gewissen. Ihnen ist klar, dass Berge von Abfall und Elektroschrott die Umwelt belasten und bei der Herstellung neuer Produkte jede Menge CO2 freigesetzt wird. Aber ob sich im Einzelfall wirklich das entsprechende Stück reparieren lässt? Handelt es sich um ein Mitbringsel aus dem Traumurlaub, entscheidet man sich schnell dafür. Auch die superbequemen Winterstiefel lässt man vom Schuster neu besohlen oder bringt die geliebte Designerhose zur Änderungsschneiderin.

An einem Kühlschrank, Staubsauger oder der Heißluftfritteuse hängt dagegen selten das Herz. Und wenn die Elektronikmärkte in der Weihnachtszeit ihre Rabattschlachten starten, greifen viele doch lieber zum Neugerät, wenn sie es sich leisten können.

Waschmaschinen lassen sich gut reparieren und haben so eine lange Lebensdauer.

Ein reales Beispiel: Bei einem High-End-Smartphone, das eine Kundin vor sechs Jahren für rund 1000 Euro neu gekauft hatte und das ansonsten noch gut funktioniert, wird der Akku schwächer. Das Nachfolgemodell bekäme sie für 800 Euro. Eine professionelle Reparatur kostet je nach Anbieter zwischen 44 und 89 Euro. Ein akzeptabler Preis, wie sie findet.

Dennoch bleibt sie unsicher: Kann die Reparatur wirklich gelingen? Wie lange wird der Hersteller noch Updates für das Betriebssystem liefern? Und wann geht wohl das nächste Bauteil kaputt? Die Reparatur könnte daher ein Wagnis sein. Also lieber ein neues Gerät?

Neu ist nicht immer besser

Ob ein fabrikneues Produkt immer besser und haltbarer ist als ein altes, darf allerdings bezweifelt werden. Heinrich Jung aus Ingelheim hat in seinem Reparaturbetrieb Blitzblume mehr als 40 Jahre lang unzählige Haushaltsgeräte auf Vordermann gebracht und bricht eine Lanze für alte Schätzchen.

Der Elektromeister zählt zu den Pionieren einer wachsenden Szene, die sich für mehr Reparaturen einsetzt. Sein Credo lautet: „Selbst eine 20 Jahre alte Waschmaschine lässt sich häufig mit geringem Aufwand reparieren. Die Maschine hat bewiesen, dass sie 20 Jahre laufen kann. Warum soll sie es nicht weitere 20 Jahre tun? Und bei der Hälfte dieser Reparaturen brauche ich nicht einmal ein Ersatzteil.“ Zudem gäben seiner Erfahrung nach neue Elektrogeräte oft schneller den Geist auf als früher hergestellte.

Das Recht auf Reparatur kommt

Tom Hansing, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Stiftung Anstiftung, hat der Ex-und-hopp-Mentalität ebenfalls den Kampf angesagt. Er engagiert sich im Vorstand des Runden Tischs Reparatur, dem auch der Bundesverband der Verbraucherzentralen angehört und der ein umfassendes Recht auf Reparatur fordert (siehe Interview). Er sagt: „Aus Umweltgründen sollte man Gegenstände reparieren lassen und so lange wie möglich verwenden.“

Wenn es heiße, dass neue Produkte weniger Strom benötigten, sei das ein Trugschluss. „Die weitaus meiste Energie wird bei ihrer Herstellung und nicht bei der Nutzung verbraucht“, so Hansing. Lediglich sehr alte Staubsauger oder Kühlschränke könnten Energieschleudern sein. Sind sie defekt, könnte ein Neukauf mehr Sinn ergeben.

Profi-Reparateure findet man bei Markenherstellern und in Elektronikmärkten. Kleine Anbieter, die nicht schlechter sein müssen, spürt man über das Internet auf. Handwerkerportale unterstützen oft die Versandreparatur, allerdings gibt es dabei vertragliche Tücken, über die die Verbraucherzentralen aufklären (siehe unten).

Das große Problem: Reparaturen können ins Geld gehen. Hätte es beim Smartphone aus dem Fallbeispiel nicht den Akku, sondern das Display erwischt, würde dessen Austausch bei bekannten Elektronikmärkten 270 Euro kosten. Froh sein kann, wer in Sachsen, Thüringen oder Berlin wohnt. Dort gibt es einen Reparaturbonus als Zuschuss vom Land. In Österreich und Frankreich sind solche Hilfen seit Jahren üblich und tragen unter anderem dazu bei, seriöse ortsansässige Handwerksbetriebe am Leben zu erhalten.

Praktische Reparaturkits

Wer handwerklich geschickt ist, kann auch selbst zu Schraubendreher und Zange greifen. Reparaturanleitungen und teilweise Ersatzteile findet man zum Beispiel bei Kaputt.de oder Ifixit. Dort kann man übrigens auch das nötige Spezialwerkzeug kaufen.

Das Ifixit-Reparaturkit für den Akku des erwähnten Smartphones enthält neben dem Ersatzakku auch Klebestreifen, Saugheber, Spezialpinzetten sowie Tools zum Lösen von Verklebungen und Aufhebeln des Geräts. Allerdings kostet es 39,95 Euro, und schon mit Blick auf den Ifixit-Reparierbarkeits­index ist es angebracht, nicht ohne Hilfe an die Sache heranzugehen. Der Index beruht darauf, dass Tüftler beliebte Geräte komplett auseinandernehmen und beurteilen, wie schwierig eine Reparatur ist. Das Beispielgerät erreicht dort nur die Note 4 von 10. Der Austausch des Akkus sei technisch möglich, aber erst einmal an ihn heranzukommen, sei „eine unnötige Herausforderung“.

Ob großes oder kleines Gerät: Es gibt zahlreiche Helfer, die defekte Artikel reparieren können – sofern es sich lohnt. Und das tut es öfter, als man denkt.

Bleibt noch das Reparaturcafé. Überall in Deutschland bieten Reparaturinitiativen bei Kaffee und Kuchen ihre Hilfe auf Spendenbasis an – in Räumen von Kirchengemeinden oder Bürgertreffs. Der Physiker Klaus Sonnenberg etwa engagiert sich beim Reparaturcafé in Köln-Dellbrück, zu dem einmal im Monat bis zu 30 Hilfesuchende erscheinen. „Jede Person kann mit einem Teil zu uns kommen. Trotz des großen Andrangs nehmen wir uns pro Klient bis zu eine Stunde Zeit“, sagt er.

Die zehn Helfer unterstützen zum Beispiel beim Auseinanderschrauben und stellen dafür Werkzeug zur Verfügung, denn die eigentliche Arbeit erledigen die Besucher; hier geht es ums gemeinschaftliche Reparieren. Mitbringen kann man alles, was sich tragen lässt: von Elektronik über Fahrräder bis zu Kleidung. Auch der Hocker aus der Provence hätte hier Hilfe bekommen. Und vielleicht bald das defekte Smartphone.

 

„Jedes Produkt sollte leicht reparierbar sein“

Tom Hansing

Tom Hansing engagiert sich beim Runden Tisch Reparatur.

S-Quin: Herr Hansing, ab 2026 soll es das Recht auf Reparatur in ganz Europa geben. Was halten Sie davon?
Tom Hansing: Es ist sehr gut, dass wir endlich eine gesetzliche Lösung bekommen. Leider handelt es sich aber nur um eine Miniausgabe dessen, was wir für nötig halten. Dies wird nur einen engen Wirkungsgrad haben, weil nur wenige Produktgruppen und nur neu produzierte Güter einbezogen werden, nicht die schon vorhandenen.

S-Quin: Was sind Ihre wichtigsten Forderungen?
Hansing: Jedes Produkt sollte so designt sein, dass es mit handelsüblichem Werkzeug zerstörungsfrei zu öffnen und leicht zu reparieren ist. Die Hersteller müssen bezahlbare Ersatzteile und reparaturrelevante Informationen für jedermann anbieten. Zudem fordern wir einen bundesweiten Reparaturbonus und einen Reparaturindex, der zeigt, wie reparaturfähig die Geräte sind.

S-Quin: Was bringen Reparaturinitiativen?
Hansing: Sie schließen eine große Lücke. Es gibt ja viele Produkte, für die man keinen Handwerker findet: kleine Elektrogeräte wie etwa Handmixer oder Wasserkocher. Im Reparaturcafé ist Zeit dafür, trotzdem eine Reparatur zu versuchen. Zudem fördern solche Cafés das nachbarschaftliche und soziale Miteinander.

S-Quin: Wie hoch ist die Erfolgsquote in den Repaircafés?
Hansing: 50 bis 80 Prozent. Und letztlich ist jeder Reparaturversuch ein Gewinn, auch wenn er nicht gelingt. Man lernt dabei so viel.

 

Hut zu wissen: Hilfe und Geld

Im Internet findet man Anlaufstellen zum Thema Reparatur.

Fotos: Adobe Stock, Tom Hansing / Illustrationen: iStockphoto

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