Gestern noch vertrautes Bild im Straßenverkehr, heute interessante Sammlerstücke: Youngtimer sind günstig, machen im Alltag Spaß und bieten überdies die Chance, an einem Wertzuwachs zu partizipieren.
Text: Wolfgang Hörner
„An diesen Tag kann ich mich noch gut erinnern“, denkt Stefan aus München zurück. Damals kaufte er aus einer Laune heraus einen 25 Jahre alten Mercedes. „Beim Warten an einer roten Ampel sah ich den Wagen bei einem Händler stehen“, berichtet der Autokenner. Tatsächlich zog dieser Wagen viele Blicke an, ohne extrovertiert zu wirken. Schließlich handelte es sich um einen gut erhaltenen Mercedes-Benz S-Klasse, in den 1980er-Jahren der Inbegriff für Luxus. Bei Regierungschefs und Industriekapitänen war er der Standard, stand für Gediegenheit und Komfort.
Mit etwas Verhandlungsgeschick zahlte Stefan 10.000 Euro für diesen Schatz – viel Geld, aber wenig für einen Luxus-Mercedes. Was ihn dabei reizte, war das geringe Risiko, das er mit dem Kauf einging. Der Wagen war gepflegt, doch selbst schlimme Exemplare mit Schäden waren nicht unter 6000 Euro zu bekommen. Sollte also etwas kaputtgehen oder er keinen Gefallen mehr an der Limousine haben, würde er sie ohne großen Verlust weiterverkaufen können. Allerdings stellte sich schnell heraus, wie viel Spaß ihm der Wagen im Alltag machte: Die S-Klasse läuft zuverlässig, hat einen erträglichen Benzinverbrauch und sorgt immer wieder für Bewunderung bei Passanten.
Doch die allergrößte Freude machen Stefan die regelmäßigen Kaufanfragen. Bei 25.000 Euro liegen die Vorschläge meist, was sich mit Preisspiegeln von Fachzeitschriften und dem Wertgutachten deckt, das Stefan anfertigen ließ. Das ist eine beachtliche Wertsteigerung. Vor allem, wenn man bedenkt, dass der Wagen tatsächlich genutzt wird und bereits viele Tausend Kilometer mit Stefan am Steuer abgespult hat. Genau das ist ein typisches Phänomen von Youngtimern.
Autos auf dem Weg zum Klassiker
Der Begriff Youngtimer als Abgrenzung zu den bekannteren Oldtimern ist nicht klar definiert. Offiziell wird ein Kraftfahrzeug nach 30 Jahren zum Oldtimer. Dann kann auch ein steuerlich günstiges H-Kennzeichen beantragt werden. Autos, die jünger sind, gelten als Youngtimer. Wie alt sie mindestens sein müssen, ist nicht geklärt. Oft gelten 15 bis 20 Jahre als Schwelle. Was noch jünger ist, wird als Gebrauchtwagen bezeichnet. Auch die Abgrenzung zu den Oldtimern sollte nicht zu streng gesehen werden. Fahrzeuge aus den 1980er-Jahren sind für die Besitzer automobiler Kostbarkeiten aus den 1960er-Jahren keine Oldtimer.
Es geht auch gar nicht darum, den Begriff zu definieren, sondern darum, eine Preisnische zu nutzen: Ein Neufahrzeug verliert nach der Anschaffung Jahr für Jahr an Wert. Irgendwann ist dieser Restwert auf einem Niveau, das nicht mehr sinkt. Das ist der interessante Zeitpunkt für Käufer. Warten sie noch länger, werden die Fahrzeuge zu richtigen Klassikern, die im Preis wieder anziehen.
Luxusmarken und kleine Stückzahlen im Fokus
Natürlich hat nicht jedes Auto die gleiche Chance auf diese Wertsteigerung. Fahrzeugen aus Massenproduktion mit Standardmotorisierungen bleibt der spätere Preisanstieg verwehrt. Bei Luxusmarken mit kleinen Stückzahlen verläuft die Entwicklung dagegen auf viel höherem Preisniveau. Besser ist es, einen Youngtimer in der Preisspanne von 5000 bis 15.000 Euro zu finden – vielleicht auch bis 20.000 Euro. Hier fällt nicht nur die Investitionssumme niedriger aus, auch die Risiken eines Totalausfalls sind kleiner. Außerdem gilt: je günstiger das Fahrzeug, desto weniger Hemmungen hat man, es im Alltag zu nutzen.
Und darin besteht der eigentliche Clou der Youngtimer. Viele von ihnen taugen als reguläres Fortbewegungsmittel. Ein paar Einschränkungen gibt es trotzdem: Wer ein voll vernetztes Navigationssystem gewohnt ist, muss sich umstellen. Auch die Fahrassistenzsysteme fallen spärlicher aus. Außerdem ist der Kraftstoffverbrauch höher, und die Emissionswerte sind nicht geeignet für Umweltplaketten. Und noch ein Punkt darf nicht vergessen werden: Der Zahn der Zeit lässt manches am Fahrzeug nicht mehr so funktionieren, wie es sollte. Sicherheitsrelevante Schäden müssen behoben werden – alles andere ist eine Übung für mehr Toleranz.
Nicht jedes Auto zieht im Preis wieder an
Mal schnell zum Gebrauchtwagenhändler gehen und zuschlagen, ist nicht zielführend. Wer einen Youngtimer kaufen will, sollte Gebrauchtwagenportale im Internet studieren, um ein gewisses Preisgefühl zu bekommen. Hilfreich ist auch, sich über Modellvarianten und Motorisierungen zu informieren. Ohne Arbeit geht es nicht.
Von großer Bedeutung für einen Wertzuwachs ist die Marke. Deutsche Premiumhersteller rangieren hier ganz vorn. Bei klassischen Volumenmarken ist es zwar nicht unmöglich, aber seltener. So haben sich bei Volkswagen das Golf Cabrio und der Golf GTI zu lohnenswerten Objekten entwickelt. Aber auch wenn man Mercedes, BMW oder Porsche anschaut, garantiert nicht jedes Fahrzeug einen Wertzuwachs.
Ein gutes Beispiel ist der bis 1993 gebaute 190 E. In den Normalversionen rangiert er wegen der großen Stückzahlen fast auf Schrottniveau. Sonderserien wie der starke 190 E 2.3-16 werden dagegen mit gut 23.000 Euro gehandelt. Vor ein paar Jahren kostete er noch die Hälfte.
Die Zeit heilt Designwunden
Eine besondere Motorisierung ist daher immer gut. Attraktiv sind zudem Fahrzeuge, die zu ihrer Zeit stilistisch umstritten waren. Der BMW Z3 Coupé gehört dazu, dessen Wert in den letzten Jahren rapide gestiegen ist. Die Zeit heilt auch Designwunden, weshalb solche Fahrzeuge heute als Stilikonen bewundert werden.
Noch ein Aspekt ist wichtig, den man bei vielen Herstellern beobachten kann: Ihr Portfolio hat sich in den letzten Jahren gewandelt. Alfa Romeo baut heute vor allem Limousinen und SUV, was die Preise für die alten Cabrios und Coupés anziehen ließ – gekauft von Menschen, die den Namen eben mit den Klassikern der Marke verbinden. Nicht anders ist es bei Porsche. Weil der Sportwagenhersteller sein Geld heute vor allem mit SUV verdient und der legendäre 911 ein hohes Preisniveau erreicht hat, zog die Nachfrage nach den günstigen Frontmotorsportwagen wie 944 und 968 merklich an.
Bei allem Kalkül sollte der persönliche Aspekt nicht vergessen werden. Wer in seiner Jugend von einem bestimmten Autotyp träumte, kann ihn sich jetzt vielleicht leisten. Und weil Schwärmerei meist nichts mit Massenware zu tun hat, kann man mit dem richtigen Fahrzeug einen Wertzuwachs erzielen – wenn man es dann überhaupt noch verkaufen will.
Checkliste
Diese Faktoren sind wichtig für den potenziellen Wertzuwachs von Youngtimern.
- Top-Marken bieten die richtige Mischung aus Stückzahl und Exklusivität. Hersteller wie BMW, Mercedes und Porsche sind besonders begehrt.
- Sportliche Baureihen und Sportwagen profitieren von einer höheren Nachfrage. SUV sind dagegen vom Youngtimer-Boom nicht betroffen.
- Sonderserien, etwa mit leistungsstarkem Motor oder exklusiver Ausstattung, genießen als Youngtimer dauerhaft eine höhere Nachfrage.
- Je teurer oder exklusiver ein Fahrzeug ist, desto wichtiger ist es, sich vor dem Kauf gründlich zu informieren. Hier helfen sogenannte Markenklubs.
- Ein Youngtimer darf Gebrauchsspuren haben. Zu stark sollten sie allerdings nicht sein. Auch unsachgemäß durchgeführte Reparaturen oder wilde Basteleien machen Fahrzeuge uninteressant.
- Den Youngtimer im Alltag zu nutzen, ist in Ordnung. Das ist ein Aspekt der Wertentwicklung, weil es sich nicht um ein reines Sammlerstück handelt.
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