Viele Betriebe haben qualifizierten Mitarbeitern und Azubis einen guten Arbeitsplatz mit attraktivem Gehalt zu bieten – und buhlen um Bewerber. Warum die beruflichen Perspektiven im Handwerk in vielen Branchen vielversprechend sind.
Text: Eva Neuthinger
Zahlreiche Handwerksbetriebe suchen nach Personal. Grund ist zum einen die demografische Entwicklung: Es fehlt der Nachwuchs. Zum anderen haben viele Schulabgänger eher den Wunsch, ein Studium oder eine Ausbildung in einem anderen Wirtschaftszweig anzufangen. Entsprechend interessieren sich die Betriebe auch für Quereinsteiger.
Die Zahl der offenen Stellen ist enorm. In den letzten Jahren waren jährlich 15.000 bis 20.000 Lehrstellen nicht zu besetzen. Mehr als 70.000 Gesellen und rund 7000 Handwerksmeister fehlen. Genügend Fachkräfte werde es aber, so der Zentralverband des Deutschen Handwerks, nur durch mehr Ausbildung geben.
Argumente fürs Handwerk
Der Wirtschaftszweig wird gebraucht. Gerade bei der ökologischen und digitalen Transformation kommt dem Handwerk eine zentrale Rolle zu. Die meisten Handwerksberufe sind daher krisensicher. Überdies stehen die Betriebe untereinander im Wettbewerb, um qualifiziertes Personal zu finden und zu binden. Im Vergleich zu anderen Berufen sind die Gehälter daher in einigen Branchen und Betrieben überdurchschnittlich attraktiv.
In der Regel zeigen sich die Firmen zudem interessiert, vielfältige berufliche Weiterbildungen anzubieten – etwa Qualifizierungsbausteine oder Validierung und Zertifizierung von beruflichen Kompetenzen, wenn ein Berufsabschluss fehlt. Die Beschäftigten bleiben fachlich zudem auf der Höhe der Zeit, da die Berufsordnungen regelmäßig an die dynamische gesellschaftliche und technische Entwicklung angepasst werden.
Berufe mit besten Chancen
Nach Studien des Instituts der deutschen Wirtschaft ist Personal in der Baubranche besonders rar, woran sich nichts ändern wird. Das bezieht sich nicht nur auf den Bereich Sanitär, Heizung und Klimatechnik, sondern ähnlich auch auf Elektriker, Mechatroniker oder Dachdecker. Doch Bewerber fehlen vielerorts. Es gibt zu wenige Fleischwarenverkäufer, Meister der Orthopädietechnik oder etwa auch Hörgeräteakustiker. Sogar Friseurbetriebe geben teilweise viel Geld für Zeitungsinserate aus oder engagieren sich auf Social-Media-Plattformen, um Gesellen und Azubis zu finden.
Zum Gehalt: Das Portal Stepstone gibt an, dass Kleinbetriebe Gesellen im Handwerk im Schnitt über alle Branchen hinweg im Jahr rund 36.000 Euro brutto zahlen; bei größeren Firmen sind es rund 20 Prozent mehr. Elektrotechniker, Mecha- oder Elektroniker sowie Zerspanungsmechaniker gelten als bestbezahlte Handwerker mit Jahresgehältern von teilweise deutlich über 50.000 Euro.
Die Qual der Wahl
Auf der Internetseite www.handwerk.de können sich Interessenten einen Überblick über rund 130 Ausbildungsberufe verschaffen und sogar per Smartphone den passenden Beruf finden. Der Chatbot stellt fünf Fragen, man antwortet mit der passenden Ziffer. Am Ende liefert das Portal Vorschläge. Zudem kann man auf der Seite die eigenen Vorlieben angeben und sich die Profile der Berufe ansehen.
Es lohnt sich überdies, auf der Seite www.karrieremitzukunft.de zu stöbern. Dort finden sich auch konkrete Stellenangebote. Ebenso helfen die Arbeitsagenturen. Sie unterstützen bei der Berufswahl, vermitteln und bieten zum Beispiel auch Tests an. Damit lässt sich checken, wie gut man für den Wunschberuf geeignet ist. Ein Tipp: Wer will, kann in einem Betrieb hospitieren und sich die Tätigkeit vor Ort ansehen.
Karrierechance mit Abitur
Zwar entscheiden sich viele Abiturienten, im Anschluss an die Schule eine Ausbildung zu absolvieren. Aber nach einer Erhebung von Kammern in NRW sind es im Handwerk weniger als in anderen Branchen. Abiturienten oder Fachabiturienten steigen besonders häufig als Fotograf, Augenoptiker oder Zahntechniker ein. Wer Mittlere Reife hat, entscheidet sich eher für den Beruf des Feinwerkmechanikers, Land- und Baumaschinenmechatronikers oder Elektronikers.
Im Kommen ist das duale Studium, bei dem Hörsaal und Handwerk parallel laufen. Die Absolventen dualer Studiengänge haben eine verkürzte Ausbildungs- und Studienzeit. Sie profitieren von einer festen Vergütung während der Zeit an der Hochschule. Am Ende haben sie als hoch qualifizierte Fachkräfte mehrere Abschlüsse in der Tasche – den Gesellen- oder sogar den Meisterbrief und den Bachelor oder Master. Wer will, kann nach der qualifizierten Aus- und Weiterbildung zum Meister auch gleich mit der Selbstständigkeit starten.
Flexible Arbeitszeit im Kommen
Nur wenige Beschäftigte im Handwerk können laut Statistischem Bundesamt bei ihren Arbeitszeiten mitreden. Das liegt in der Natur der Sache, da man in der Regel vor Ort beim Kunden oder auf der Baustelle und in der Werkstatt tätig sein muss. Homeoffice bleibt anders als in Bürojobs die Ausnahme. Doch die Betriebe engagieren sich, um die Work-Life-Balance der Beschäftigten zu verbessern. Gleitzeit hat sich im Handwerk längst etabliert. Vertrauensarbeitszeit ist in einigen Firmen ebenso möglich. Die Beschäftigten entscheiden dann selbst, wann sie tätig sind.
Auch Teilzeitarbeit ist prinzipiell in vielen Betrieben möglich, teilweise sogar bei Auszubildenden. Die wöchentliche Arbeitszeit kann man dann über einen bestimmten Zeitraum oder alle Monate während der Lehrzeit reduzieren. Und die Flexibilisierung geht noch weiter: Erste Firmen im Handwerk sind dabei, eine Viertagewoche einzuführen. Dabei wird die tägliche Arbeitszeit erhöht; die Gehaltshöhe bleibt unverändert.
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