Die Hoffnung auf hohe Wertsteigerungen lockt immer mehr Anleger zu Kryptowährungen. Doch angesichts des hohen Risikos will der Einstieg bei Bitcoin, Ether und Co. wohlüberlegt sein.
In der Welt des Geldes gilt Peter Thiel als Enfant terrible. Der US-Großinvestor mit deutschen Wurzeln inszeniert sich gern als Kämpfer gegen das Establishment. Was er allerdings im April auf einer Konferenz in Miami zum Besten gab, ließ auch diejenigen aufhorchen, die seine kruden Thesen sonst ignorieren. Thiel beschuldigte Vertreter der US-Finanzszene, etwa Börsenlegende Warren Buffett, einer „Finanzgerontokratie“, indem sie einen Anstieg der Kryptowährung Bitcoin verhinderten. Ohne ihre ausgeprägte Abneigung, in der elektronischen Währung zu investieren, stünde der Preis längst bei über 100.000 US-Dollar, so der Trump-Fan.
Thiels Worte dürften wie Balsam auf die Wunden vieler Bitcoin-Anleger gewirkt haben. Noch im November 2021 war die elektronische Münze zu über 66.000 US-Dollar pro Stück gehandelt worden – historischer Höchstkurs. Dann aber legte der Kurs den Rückwärtsgang ein und halbierte sich annähernd bis Ende Januar, ehe der Ausbruch des Ukrainekriegs und Inflationssorgen vorübergehend wieder für Auftrieb sorgten. Das Auf und ab ging aber weiter und im Juni fiel der Kurs auf 20.000 US-Dollar.
Anleger, die schon länger in der Kryptowährung investiert sind, dürften diese Preissprünge wahrscheinlich kaltlassen. Als 2010 die erste virtuelle Einheit der Währung auf einem Computer geschürft wurde, kostete sie nicht einmal 1 Cent. Zehn Jahre später waren es bereits 10.000 US-Dollar. Nach dem Ausbruch des Coronavirus im Frühjahr 2020 hatten Bitcoin und Co. dann einen wahren Boom erlebt. Die Hoffnung auf Gewinne lockt seitdem rund um den Globus immer mehr Glücksritter an.
Optimisten hoffen auf Schub
Der weit überwiegende Teil sind nach Einschätzung von Experten Privatanleger. Doch das Interesse institutioneller Investoren wie Versicherungen und Pensionsfonds steigt enorm. Wenn deren Milliarden erst in den Kryptoanlagemarkt fließen, so die Hoffnung vieler Bitcoin-Optimisten, könnte das den Kursen Schub verleihen. Hinzu kommt, dass sich rund um die jungen Digitalwährungen eine ganze Finanzindustrie gebildet hat. Anleger, die darin investieren wollen, haben mittlerweile viele Möglichkeiten. Auch das lockt neues Geld an.
Der Bitcoin ist die weltweit teuerste und gleichzeitig liquideste Digitalwährung. Darüber hinaus ist rund ein Dutzend weiterer am Markt verfügbar. Als die bekanntesten gelten, gemessen an der Marktkapitalisierung, Ether, Tether und Binance Coin. Diese sind auch in Bruchteilen handelbar – man muss nicht fünfstellige Summen investieren.
„Anleger müssen sich fragen, ob sie ein so hohes Risiko ins Portfolio nehmen wollen“
Technisch basieren fast alle Kryptowährungen auf der Blockchaintechnologie. Anders als bei traditionellem Geld gibt es keine zentrale Stelle wie eine Notenbank, die neue Einheiten ausgibt. Stattdessen werden digitale Münzen vereinfacht gesagt in einem Rechnernetzwerk geschürft. Um eine neue Einheit zu schaffen, muss eine Liste von Transaktionen auf voneinander unabhängigen Rechnern überall auf der Welt erzeugt werden. Vor jeder Transaktion, die der Eigentümer mit der Münze danach durchführt, wird diese Liste von den Rechnern geprüft und die Echtheit bestätigt.
Trotz ihrer Beliebtheit akzeptieren nur wenige Händler Bitcoins bei einem Kauf. Die Möglichkeit, damit einen Tesla zu bestellen, hat Konzernchef Elon Musk nach wenigen Wochen wieder gekappt. So gelten Bitcoin und Co. vor allem als Möglichkeit, Geld anzulegen.
Die Zahl der Bitcoins ist limitiert
Hoffnung setzen die Fans der Kryptowährungen derzeit auf die steigenden Preise für Konsumgüter und Energie. Weil keine Notenbank die Geldmenge beliebig erhöhen kann, gelten Kryptowährungen als inflationssicher. Hinzu kommt, dass die Zahl der Bitcoins technisch bedingt auf 21 Millionen limitiert ist – wovon rund 90 Prozent bereits geschürft sind.
Das begrenzte Angebot treibt die Preise, so das Kalkül der Optimisten. „Dies gilt jedoch nur für den Bitcoin selbst und nicht für die schnell wachsende und insgesamt nicht begrenzte Zahl an Kryptowährungen, -coins und -tokens“, warnt Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Sparkassenfondsgesellschaft Deka. „Generell gibt es für sie derzeit keine anerkannten Bewertungsmaßstäbe. Bei Sachwertanlagen wie Aktien sprechen wir deswegen von Inflationsschutz, weil die Unternehmensgewinne in der Regel von Preisanstiegen profitieren und insofern auch Dividenden und Aktienkurse bei höherer Inflation tendenziell stärker steigen.“ Bei Kryptowährungen sei dies eher fraglich.
Kryptowährungen sind Stromfresser
Als problematisch gilt zudem der Energieverbrauch der Rechnernetzwerke, mit denen die Kryptowährungen geschaffen und transferiert werden. „Der Stromverbrauch einzelner Zahlungstransaktionen oder Wertübertragungen übertrifft den von konventionellen Bezahlmethoden um ein Vielfaches“, hebt Kater hervor. „Viele für die Kryptoberechnungen eingesetzte Rechner stehen in Schwellenländern, in denen Strom ohnehin ein sehr knappes Gut ist. Es ist denkbar, dass dort durch die Kryptoaktivitäten weniger Strom für private Haushalte und Unternehmen verfügbar ist, als es wünschenswert wäre.“
Neben mangelnder Nachhaltigkeit eilt Kryptowährungen zudem der Ruf voraus, ein beliebtes Mittel zur Geldwäsche und zur Finanzierung krimineller Aktivitäten zu sein. Nicht zuletzt tauchen immer wieder Zweifel an der Sicherheit auf. So haben allein im März 2022 Hacker Kryptowährungen im Rekordwert von umgerechnet 555 Millionen Euro aus einem Online-Spiel beziehungsweise vom angeschlossenen Zahlungsdienstleister erbeutet.
Gedanken machen sollten sich Interessenten vor einem Einstieg vor allem über die hohen Preisschwankungen von Bitcoin und Co. „Angesichts der hohen Volatilität dürfen sich Privatanleger nicht von den Wertgewinnen in der Vergangenheit blenden lassen, sondern müssen sich fragen, ob sie ein so hohes Risiko in ihr Portfolio nehmen wollen“, sagt Gerald Forsbach, Wertpapierexperte der Sparkasse KölnBonn. „Auch kurzfristig kann ein Minus von 40 oder 50 Prozent auf dem Papier entstehen. Es heißt also, gute Nerven mitzubringen und bereit zu sein, entsprechend lange durchzuhalten.“
Nur sehr geringe Summen einsetzen
Wer wegen seines Kryptoinvestments schlaflose Nächte habe, solle lieber auf andere Anlageformen ausweichen, empfiehlt er. „Doch auch wer eine entsprechend hohe Risikoneigung mitbringt, sollte nicht mehr als 1000 oder 2000 Euro investieren“, rät Forsbach. „Gemessen am gesamten Vermögen darf es nie mehr als eine kleine Beimischung mit sehr langem Anlagehorizont sein. Schließlich ist auch ein Totalverlust nicht auszuschließen.“
Auch Deka-Experte Kater siedelt ein Kryptoinvestment im hochspekulativen Bereich an. „Bei solch einer jungen Technologie ist die Frage jedoch sehr schwer zu beantworten, ob eine fundamental gerechtfertigte Bewertung vorliegt“, so der Chefvolkswirt. „Insofern lässt sich kaum eine zuverlässige Aussage zu der zukünftigen Wertentwicklung treffen. Wir gehen jedoch davon aus, dass die Kurse vieler Kryptowährungen derzeit überhöht sind.“
So funktioniert die Kryptoanlage
Verschiedene Wege führen zum Ziel – etwa Broker, Wallet und ETF.
Geld in Bitcoin und Co. anzulegen, geht unter anderem bei einem Kryptobroker, der Orders ausführt und die Verwahrung organisiert. Kostengünstiger, aber aufwendiger ist es, wenn sich Anleger bei einer Online-Handelsplattform anmelden und dort ein Wallet einrichten – eine Art elektronische Geldbörse. Allerdings sind die meisten Handelsplätze unreguliert und bieten daher keinen Anlegerschutz.
Eine Alternative ist der Kauf von Zertifikaten oder ETFs. Mit ihnen kann der Anleger zum Beispiel an der Wertentwicklung von Kryptowährungen partizipieren. Da Zertifikate vom Charakter her Schuldverschreibungen sind, sollte man auf die gute Bonität des Emittenten achten. Eine hybride Anlageform sind Aktienfonds, die schwerpunktmäßig in Firmen aus der Kryptobranche investieren.
„Zunächst sollte man entscheiden, ob das Geld eher in eine gemanagte Anlageform fließen soll, bei der man sich um nichts weiter zu kümmern braucht. Oder der Anleger investiert direkt und übernimmt selbst die Kontrolle. Er muss sich dann aber um die Verwaltung und Verwahrung kümmern“, sagt Gerald Forsbach, Wertpapierexperte der Sparkasse KölnBonn. „Letztlich ist es eine Frage des Anlegertyps.“
Illustration: Shutterstock