Die Preise für viele Rohstoffe wie Öl und Metalle sind in den vergangenen Monaten stark gestiegen. Anleger haben mehrere Möglichkeiten, in diesem Sektor zu investieren.
Text: Thomas Luther
Viele Goldhändler werden das Jahr 2011 nicht vergessen. Damals machten einige von ihnen in ein paar Wochen den doppelten Umsatz von dem, was sonst in einem Jahr üblich ist. Mitten im Sommer standen lange Käuferschlangen vor den Türen. Hier und da verteilten Angestellte sogar Getränke und Süßigkeiten an die Wartenden, um die Zeit zu verkürzen und zu verhindern, dass sie entnervt gehen.
Die meisten Menschen waren gekommen, um ihr Sparvermögen zu sichern. Immer deutlicher war in den Tagen zuvor geworden, dass die großen Länder in Südeuropa und die USA infolge der Finanzkrise in finanzielle Schieflage gerieten. Es kam zu einem Schwarzen Montag an den Weltbörsen. Weil die Investoren gleichzeitig zum Gold wechselten, trieben sie den Preis in kürzester Zeit auf ein neues historisches Hoch von über 1900 US-Dollar die Unze – das entspricht 31,1 Gramm.
Immer dann, wenn die Wirtschaft rund um den Globus wackelt und die Börsen in Turbulenzen geraten, flüchten die Anleger in das gelbe Edelmetall. Beim Ausbruch der Coronapandemie bildeten sich bis kurz vor dem Lockdown erneut Schlangen vor den Händlerläden. „Gold und auch die sogenannten Weißmetalle wie Silber und Platin haben den Rang eines sicheren Anlagehafens“, erklärt Christoph Witzke, Anlagechef und Leiter Investment Office bei der Deka, der Fondsgesellschaft der Sparkassen (siehe Interview). „Ihre Krisenfestigkeit haben sie historisch unter Beweis gestellt – auch, weil sich ihre Preise gegenläufig zu Risikoanlagen wie etwa Aktien und auch Kryptowährungen entwickeln.“
Kohle hat Konjunktur
2021 waren es jedoch andere Rohstoffe, die auf sich aufmerksam machten. Der Preis von Erdgas stieg von Anfang des Jahres bis Ende Oktober in der Spitze auf mehr als das Doppelte. Steinkohle wurde um das Dreifache teurer, und beim Rohöl waren es mehr als 65 Prozent. Auch Basisrohstoffe wie Bauholz sowie Industriemetalle wie Kupfer und Aluminium wurden deutlich teurer.
„Viele Rohstoffe waren gesucht, weil die Produzenten nach dem Ende der Lockdowns ihre Förderung nicht schnell genug hochfahren konnten, um die sprunghaft gestiegene Nachfrage auf dem Weltmarkt zu bedienen. Hinzu kamen fragile Lieferketten und kurzfristig ein weltweiter Mangel an Transportkapazitäten“, sagt Dora Borbély, Rohstoffspezialistin bei der Deka.
Die höheren Rohstoffkosten haben Folgen. In Deutschland ist die durchschnittliche Teuerung im Oktober 2021 auf 4,5 Prozent gestiegen. So hoch war die Inflationsrate zuletzt 1993. Vor diesem Hintergrund werden Rohstoffe auch für Anleger interessant, insbesondere Edelmetalle. „Gold und Silber sind nicht nur ein Kriseninvestment, sondern auch eine Möglichkeit, im Portfolio Inflationsschutz zu betreiben“, sagt Witzke. Allerdings sollten Anleger die Besonderheiten bei Rohstoffinvestments beachten. So gilt es, sich damit zu beschäftigen, welche Faktoren Angebot und Nachfrage treiben, um die Chancen und Risiken einschätzen zu können.
Einstieg mit geringen Beträgen
Der Einstieg bereits mit vergleichsweise geringen Beträgen ist mit Gold- und Silberbarren sowie Münzen möglich. Sie werden von fast allen Banken und Sparkassen angeboten. Der Verkauf von Goldmünzen und -barren ist in der Regel zwar von der Mehrwertsteuer befreit, dafür müssen die Käufer allerdings üblicherweise ein Aufgeld auf den tagesaktuellen Metallwert zahlen. Als Faustregel gilt: Je kleiner die Münze oder der Barren ist, desto höher fällt in Relation die Zuzahlung aus. „Der Goldpreis muss also erst einmal deutlich steigen, ehe dieser Aufschlag aufgeholt wird“, gibt Anlageexperte Witzke zu bedenken. „Barren und Münzen kommen daher nur für eine wirklich langfristige Anlage infrage.“
Dafür sprechen auch die steuerlichen Regeln. Grundsätzlich gilt: Der Wertzuwachs bei einem Verkauf bleibt steuerfrei, wenn der Anleger seine Schätze mindestens ein Jahr gehalten hat. Bei Fonds und anderen Wertpapieren, die sich auf Rohstoffe beziehen, wird dagegen grundsätzlich Abgeltungsteuer auf den Kursgewinn fällig.
Silber ist ein Industriemetall
Doch welches Edelmetall verspricht die beste Anlageperspektive? Gold oder eher die preisgünstigere Schwester Silber? „Das kommt auf die Beurteilung der wirtschaftlichen Gesamtsituation an“, sagt Deka-Volkswirtin Borbély. „Ein bedeutender Teil der Silberproduktion wird industriell verarbeitet. Die Nachfrage ist daher viel stärker an die Konjunktur gekoppelt als beim Gold.“ Der Goldpreis hingegen wird ganz wesentlich von der Nachfrage aus der Schmuckbranche beeinflusst, die teilweise über die Hälfte der Jahresproduktion abnimmt.
Ein zweiter Preisfaktor ist die Nachfrage der Anleger. An den Finanzmärkten sind Rohstoffe schon vor Jahren zum Spekulationsobjekt geworden. Banken und Wertpapierhäuser bringen im großen Stil Anlageprodukte an den Markt, mit denen Investoren, die nicht am physischen Besitz interessiert sind, an der Preisentwicklung teilhaben können.
Sehr populär sind börsengehandelte Rohstoff-Indexfonds (ETFs). Die meisten von ihnen beziehen sich auf Indizes, die die Preisentwicklung mehrerer Rohstoffe abbilden. Die breite Streuung senkt das Anlagerisiko, dämpft aber auch die Chancen. Mit Exchange Traded Commodities, sogenannten ETCs, können Anleger im Gegensatz dazu gezielt in einzelnen Rohstoffen investieren. Das Spektrum reicht von Edel- und Industriemetallen bis zu Energieträgern.
Agrarrohstoffe wie Weizen und Kakao sind für nachhaltig orientierte Anleger tabu, denn die Kritik wächst, dass durch solche Spekulationen der Einsatz genmanipulierter Saaten und die weltweite Nahrungskrise verstärkt werden. „ETCs sind auch als zertifizierte Nachhaltigkeitsprodukte erhältlich“, sagt Witzke. „Bei ihnen ist zum Beispiel sichergestellt, dass faire Arbeitsbedingungen eingehalten wurden und keine giftigen Chemikalien eingesetzt werden.“
Rechtlich sind ETCs Schuldverschreibungen desjenigen, der sie ausgibt. Meist ist das eine Bank oder ein Wertpapierhandelshaus. Damit übernimmt der Anleger ein sogenanntes Emittentenrisiko. Gerät der Herausgeber in finanzielle Schwierigkeiten oder geht pleite, ist der Einsatz meist verloren. Bei einem ETF sind die Kundengelder dagegen vor Veruntreuung und Insolvenz der Fondsgesellschaft geschützt.
Auf die laufenden Kosten achten
Ein Punkt, der bei der Anlage sowohl in aktiv gemanagten Rohstofffonds als auch bei ETFs und ETCs zu beachten ist, sind die vergleichsweise hohen laufenden Kosten. Weil die physische Lieferung nicht gewollt ist, wird die Preisentwicklung der Rohstoffe mit Terminkontrakten abgebildet. Da ETFs und ETCs grundsätzlich unbefristet aufgelegt werden, müssen fällige Rohstoffkontrakte regelmäßig in lang laufende umgeschichtet werden. Dabei entstehen sogenannte Rollkosten, die erheblich zu Buche schlagen können.
Ein eher indirektes Investment in Rohstoffen ist mit Aktien von Minenbetreibern sowie entsprechenden Fonds möglich. Allerdings sind die Förderunternehmen fast durchweg in Übersee ansässig. Das macht es für Anleger oft schwierig, im Einzelfall zuverlässige Informationen zu den Förderreserven und den wirtschaftlichen Verhältnissen der Minenfirmen zu bekommen.
Gold richtig lagern
Wer größere Mengen von Gold besitzt, sollte seine Münzen und Barren vor Diebstahl schützen. Das geht auf unterschiedliche Weise.
Eine praktikable, wenngleich nicht günstige Lösung ist, einen stabilen Safe fest in der Wohnung zu installieren oder ein Bankschließfach zu mieten, in dem auch andere Wertgegenstände deponiert werden können. Eine kostengünstige Alternative sind Edelmetallsammeldepots. Dabei wird der Anleger in Höhe seiner Einzahlungen Miteigentümer etwa eines größeren Goldbestands, den die Bank treuhänderisch verwahrt. Der Vorteil von einem Sammeldepot ist, dass Anleger auch regelmäßig etwa im Rahmen eines Sparplans und zu vergleichsweise günstigen Kosten in Edelmetall anlegen können. Dabei ist die Aufteilung zwischen Gold, Silber, Platin und Palladium frei wählbar. Im Rahmen verfügbarer Stückelungen besteht ein physischer Auslieferungsanspruch des Metallbestands. Gleichzeitig ist jederzeit auch eine Kündigung beziehungsweise ein Verkauf ganz oder teilweise möglich.
„Gold hat 2022 Aufholpotenzial“
Christoph Witzke ist Leiter CIO Office und Fondsmanager bei der Deka.
S-Quin: Wann sollten Privatanleger in Rohstoffen investieren? Witzke: Eine Investition ist eine Überlegung wert, wenn ich eine hohe Inflationserwartung habe. In den vergangenen zehn Jahren hat die Inflation keine Rolle gespielt. Dementsprechend war die Rendite von Rohstoffanlagen gering, in einigen Zeiträumen sogar negativ. Diese Phase könnte nun zu Ende gehen. Allerdings müssen Anleger bei Rohstoffen eine gewisse Risikobereitschaft mitbringen, denn die Preisschwankungen sind hoch. Welchen Anteil am Gesamtvermögen sollten Rohstoffe ausmachen? Witzke: Das hängt vom Einzelfall ab. Rohstoffe leisten einen echten Beitrag zur Diversifikation des Portfolios, mehr als eine Beimischung sollten sie jedoch auf Dauer nicht sein, um die langfristige Attraktivität von Aktien nicht zu kompensieren. Kurzfristig kann es sinnvoll sein, den Anteil hochzufahren, wenn sich zeigen sollte, dass die derzeit zu beobachtenden Inflationsgefahren in den kommenden Wochen und Monaten weiterhin überschießen sollten. Das Rohstoffuniversum ist groß. Worauf sollten sich Anleger fokussieren? Witzke: Wir schauen im Moment auf Edelmetalle wie Gold und Silber. Zum einen, weil sie bei der Rohstoffrallye 2021 zurückgeblieben sind und eine Preiskonsolidierung durchliefen. Zum anderen, weil es historisch gesehen einen Zusammenhang zwischen Gold und den Realrenditen gibt. Angesichts steigender Inflationsraten und weiterhin zum Teil negativer Zinsen am Kapitalmarkt sind die Realrenditen zurzeit ausgesprochen negativ. Dadurch haben Rohstoffe insgesamt, vor allem aber Gold Aufholpotenzial. Wir sind der Meinung, dass Gold 2022 neue Allzeithochs erreichen kann.
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