Von wegen schmuddeliger Öko-Look: Am Aussehen lässt sich heute nicht mehr erkennen, ob es sich um ein nachhaltig produziertes Einrichtungsstück handelt. Für einen ehrlichen Nachhaltigkeits-Check muss man schon etwas genauer hinschauen.
Text: Stefanie Hutschenreuter
Egal, ob beim Discounter, im Einrichtungshaus oder in Online-Shops: Heute trägt fast jedes zweite Möbelstück oder Wohnaccessoire ein Öko-Attribut wie „Hergestellt nach hohen Öko-Standards“, „100 Prozent recycelbar“ oder „ressourceneffizient“. Doch darf man diesen Labels blind vertrauen? Wohl kaum, denn nicht jedes auf den ersten Blick nachhaltige Produkt hält, was es verspricht. Wer umwelt- und sozialbewusst lebt und auch in Sachen Inneneinrichtung auf nachhaltige Produkte Wert legt, sollte deshalb hinterfragen, wie, wo und aus welchen Materialien der Artikel hergestellt wurde.
Nachhaltig einrichten – was heißt das?
„Nachhaltig heißt: Wir befriedigen die Grundbedürfnisse dieser Generation, ohne die der nächsten zu gefährden“, sagt Innenarchitektin und Baubiologin Marlene Korff, die sich als Projektleiterin bei der Greengineers GmbH, einem Beratungsbüro für nachhaltige Bauprojekte, täglich mit dem Thema auseinandersetzt. Nachhaltigkeit hat also viele Facetten. Neben ökologischen und ökonomischen Aspekten ist soziale Gerechtigkeit ein wichtiger Bestandteil.
Auf das Einrichten übertragen bedeutet das: Ein nachhaltig hergestelltes Wohnprodukt sollte in erster Linie langlebig sein. „Also möglichst stabil, damit es oft mit umziehen kann. Es sollte auseinandernehmbar und wieder zusammenbaubar sein, und das im besten Fall ohne Expertentools“, betont Korff. Denn Möbel, die lange halten, verursachen weniger Müll. Beim Möbelkauf empfiehlt es sich daher, auf Qualität zu achten.
Besonders nachhaltig sind der Expertin zufolge hochwertige Einbaumöbel. Denn ein eingebautes Möbelstück spart allein schon deshalb Ressourcen, weil es von mehreren Personen genutzt wird und nicht jeder Eigentümer oder Mieter ein neues kaufen muss.
Ein nachhaltig hergestellter Einrichtungsgegenstand ist zudem möglichst in der näheren Umgebung aus regionalen Materialien produziert worden, denn dann musste er keine weiten Transportwege bis zum Verbraucher zurücklegen. Selbstverständlich spielt auch die Art und Weise der Herstellung eine große Rolle. Nachhaltig ist ein Produkt dann, wenn es ressourcenschonend, mit möglichst wenig CO₂-Emissionen und unter fairen Arbeitsbedingungen hergestellt wurde. Unternehmen, die es ernst meinen mit der Nachhaltigkeit, zahlen ihren Mitarbeitenden angemessene Löhne und kompensieren den durch die Produktion angefallenen Rest ihres CO₂-Ausstoßes durch Klimaschutzprojekte.
Außerdem sollte ein Möbelstück keine Schadstoffe ausdünsten. Nicht nur, weil das gesünder für die Bewohner ist, sondern auch, weil so am Ende eines Möbellebens kein Sondermüll entsteht und sich das Produkt besser recyceln lässt. Einen Hinweis darauf, ob dies der Fall ist, gibt meist schon das Material, aus dem das Objekt gefertigt ist.
Am besten heimisches Vollholz
Nachhaltige Einrichtung besteht in der Regel aus Naturmaterialien wie Holz, Baumwolle, Leinen, Flachs, Wolle, Bambus oder Naturstein. Doch auch bei den Naturmaterialien lohnt es sich, genauer hinzuschauen. „Holzmöbel zum Beispiel bestehen im allerbesten Fall aus Vollholz“, sagt Marlene Korff. Denn in Verbundstoffen wie Spanplatten, OSB-Platten oder auch Parkett und Laminat können durch die verwendeten Kleber giftige Schadstoffe sitzen. Zudem sollte das verwendete Holz aus regionalen, nachhaltig bewirtschafteten Wäldern stammen. Tropenholz ist tabu.
Die Innenarchitektin empfiehlt generell beim Kauf von Möbeln oder Baustoffen, „so natürlich wie möglich zu bleiben“. Mittlerweile gebe es fast immer eine Öko-Alternative – selbst für Schaumstoffe, die konventionell aus erdölbasierten Rohstoffen bestehen und häufig mit Flammschutzmitteln belastet sind. „Es gibt zum Beispiel einen Polsterschaumstoff, der aus aufgeschäumten Lederresten besteht und damit ein reines Naturprodukt ist“, so Korff. Darüber hinaus ist der Lederschaumstoff ein Recyclingprodukt, das Abfall reduziert.
In recycelter Form sind auch Metalle weniger kritisch zu sehen. Sie kommen zwar auch natürlich vor und sind langlebig, die Metallerzeugung und -verarbeitung sind jedoch sehr energieintensiv, weshalb das Material im Wohnbereich als weniger ökologisch gilt. Allgemein sind vor allem Recyclingmöbel und -accessoires im Kommen. Stühle aus ausrangierten Fischernetzen oder alten PET-Flaschen, Teppiche aus Bonbonpapier oder auch Espressotassen und Mehrwegbecher aus Kaffeesatz, etwa von dem Berliner Unternehmen Kaffeeform, sind nur einige Beispiele.
Gütesiegel geben Orientierung
Doch wie findet und erkennt man nun nachhaltige Möbel? Indem man sich auf den einschlägigen Internetseiten umschaut. Auf Nachhaltige-Deals.de oder Utopia.de zum Beispiel sind viele Hersteller für nachhaltige Einrichtungsprodukte gelistet. Auch ein Blick auf die Homepage der einzelnen Hersteller kann aufschlussreich sein. Denn gerade, wenn das Unternehmen Wert auf Nachhaltigkeit legt, wird es das auf seiner Website bekannt geben. Es gibt allerdings auch einige schwarze Schafe, die Greenwashing betreiben. Marlene Korff hat schon massive Fälle von Konsumententäuschung mit nicht geschützten Begriffen wie „Bio“ oder „Natur“ erlebt und rät daher: „Halten Sie sich bei Ihrer Kaufentscheidung an Prüfzertifikate und Siegel, die allgemein bekannt sind.“
Dazu gehören Signets wie der Blaue Engel, das Label des Eco-Instituts oder auch das Goldene M (siehe Schaubild). Auf der Website www.label-online.de gibt es Hintergrundinformationen zu vielen gebräuchlichen Gütezeichen – nicht nur für Möbel, sondern auch für Bauprodukte wie Bodenbeläge, Putze, Farben und Lacke. Auch auf www.nachhaltiger-warenkorb.de finden sich Erklärungen zu den verschiedenen Zertifikaten sowie Einkaufstipps.
Die Möbelhäuser ziehen mit
Weil die Nachfrage nach grünen Möbeln steigt, achten auch immer mehr große Händler und Möbelhäuser wie Ikea bei ihrem Sortiment auf Nachhaltigkeit. Das dürfte sich positiv auf die Preise auswirken. Nach wie vor sind grüne Möbel jedoch eher im hochpreisigen Segment angesiedelt. Wer sich die High-Class-Produkte nicht leisten kann, für den gibt es aber eine nachhaltige Alternative, die wesentlich günstiger ist: Secondhand-Möbel.
„Mittlerweile gibt es sehr schöne Dinge gebraucht zu kaufen oder auch einzutauschen“, so die Erfahrung von Innenarchitektin Marlene Korff. Mit ein wenig Geduld wird man auf den einschlägigen Kleinanzeigenplattformen, aber auch in Sozialkaufhäusern oder auf Flohmärkten fündig. Mit Restado.de hat sich auch eine Internetplattform für gebrauchte Bauteile etabliert, auf der komplette Inneneinrichtungen etwa aus Hotelauflösungen günstig zum Kauf angeboten werden.
Auch Upcycling ist eine gute Möglichkeit, die Kreislaufwirtschaft voranzutreiben. Dabei wird Abfall oder nutzlos Gewordenes, das sonst im Mülleimer gelandet wäre, in ein höherwertiges Produkt verwandelt. Es gibt kaum einen ausgedienten Gegenstand, aus dem sich nicht etwas Schickes basteln ließe. So erhalten beispielsweise alte Gürtel ein neues Leben als Regal, oder Zündkerzen dienen als stylishe Garderobenhaken. Nachhaltiger geht es kaum, und die eigene Kreativität lässt sich ganz nebenbei auch noch ausleben.
„Neues Gütezeichen für Nachhaltigkeit“
Jan Kurth ist Geschäftsführer der Verbände der deutschen Möbelindustrie (VDM/VHK).
S-Quin: Was ist Ihr wichtigster Tipp für alle, die nachhaltige Möbel kaufen möchten?
Kurth: Die Möbelstücke sollten möglichst langlebig sein. Käufer sollten auf eine hohe Qualität achten. Eine Orientierungshilfe bietet hier etwa das RAL-Gütezeichen „Goldenes M“, das sowohl Umwelt- und Gesundheitsaspekte als auch Faktoren wie Haltbarkeit und Stabilität garantiert.
S-Quin: Die Deutsche Gütegemeinschaft Möbel hat kürzlich zusätzlich das RAL-Gütezeichen „Möbel zirkulär nachhaltig“ eingeführt. Welche Nachhaltigkeitskriterien setzt es an?
Kurth: Das neue RAL-Gütezeichen schafft eine ganzheitlich zuverlässige Orientierungshilfe für den nachhaltigen Möbelkauf. Über bewährte Qualitäts- und Nachhaltigkeitsstandards hinaus stellt es strenge Anforderungen an die Ressourceneffizienz und an den Recyclinganteil der beim Möbelbau verwendeten Materialien und Verpackungen sowie an die Haltbarkeit, Reparaturfreundlichkeit und Ersatzteilverfügbarkeit der zertifizierten Modelle. Nicht zuletzt müssen zertifizierte Hersteller klimaneutral sein und soziale Verantwortung für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter übernehmen.
S-Quin: Wo sehen Sie noch Verbesserungspotenzial in Sachen Nachhaltigkeit beim Einrichten?
Kurth: Zur Schonung natürlicher Ressourcen rückt das Bestreben in den Fokus, den Lebenszyklus von Produkten durch Reparierbarkeit, Wiederaufbereitung oder Upcycling zu verlängern und dann zum Ende des Lebenszyklus hin die Materialien zu trennen und zu recyceln. Das Stichwort lautet hier Kreislaufwirtschaft. Dafür muss schon beim Produktdesign angesetzt werden, indem die oben genannten Eigenschaften unterstützt werden. Am End of Life müssen gemeinsam mit der Politik die Möglichkeiten geschaffen werden, die Möbel primär einer stofflichen Verwertung zuzuführen.
Fotos: Daniel Michalik, Mater, Muuto, VDM, Wehlers