Wie KI die Jobs verändert

Sprachmodelle wie Chat GPT haben einen Hype um künstliche Intelligenz ausgelöst, aber auch Ängste heraufbeschworen. Dabei verändert sich die Arbeitswelt schon seit Jahren durch KI-Anwendungen. Worauf es für Arbeitnehmer ankommt, ist gute Vorbereitung.

Text: Christine Mattauch

Es war eine Personalie der besonderen Art. Erstmals setzte die Redaktion der „Süddeutschen Zeitung“ im Frühjahr 2023 einen KI-gesteuerten Chatbot als Praktikanten ein. Der „Kollege“ erhielt den Auftrag, über die Hyperinflation von 1923 zu schreiben, und begann mit einem Ehepaar, das trotz aller Unbill eine Bäckerei aufbaute. Die Redaktion war beeindruckt – bis der Chatbot „zugeben“ musste, die Geschichte frei erfunden zu haben. Das von Beginn an nicht ganz ernst gemeinte Experiment war gescheitert.

Seit Assistenzsysteme wie Chat GPT auf dem Markt sind, ist die Diskussion um künstliche Intelligenz neu entbrannt. Wird sie die Arbeitswelt revolutionieren und zu Massenentlassungen führen? Erwartungen sind ebenso groß wie Ängste. „KI erweckt den Eindruck, sehr leistungsstark zu sein“, sagt Sebastian Terstegen, Experte für Digitalisierung und KI beim Institut für angewandte Arbeitswissenschaft (Ifaa) in Düsseldorf. „Aber viele Sorgen sind unberechtigt.“

Auch in kreativen Berufen wachsen die Einsatzmöglichkeiten intelligenter Software.

Klar ist, dass sich das Profil vieler Berufe ändern wird, so wie es auch durch das Internet oder die EDV geschah. „Je höher der Anteil sich wiederholender oder standardisierter Abläufe am Berufsbild, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass KI Teile davon übernimmt“, erklärt Terstegen. Doch auch wenn die Veränderungen in der Arbeitswelt auf lange Sicht gewaltig sein werden: Ein Jobkiller ist KI in den meisten Fällen nicht.

Die Stärken der KI

Was die Maschine oft besser kann als der Mensch, sind das Erkennen von Mustern und blitzschnelle Entscheidungen anhand von Wahrscheinlichkeiten. Die Bundesanstalt für Arbeit zum Beispiel nutzt KI zum Erkennen von Studienbescheinigungen. In der Medizin identifiziert intelligente Software per Bildvergleich Hautkrebs zuverlässiger als viele Ärzte. Im Online-Kundendienst beantwortet sie einfache Fragen wie die nach Garantien. In der Industrie erkennt sie minimale Abnutzungen von Maschinenbauteilen.

Noch ist die Zahl der Anwendungen überschaubar. Für rund 40 Prozent der Unternehmen ist KI kein Thema, fast ebenso viele diskutieren ihren Einsatz noch, so eine Umfrage des Münchner Ifo-Instituts. Erst 13 Prozent der deutschen Unternehmen nutzen KI. Es sind vor allem Arbeitgeber, deren Fertigung schon jetzt stark durch Automatisierung geprägt ist, wie der Maschinenbau oder die Autoindustrie, und denen Fachkräfte fehlen.

BMW setzt in Regensburg KI-gesteuerte Roboter ein. Vor allem Industriebranchen mit hoher Automatisierung und Fachkräftemangel denken über den KI-Einsatz nach. Massenentlassungen wird es aber wohl nicht geben.

BMW in Regensburg etwa setzt seit Kurzem als erstes Automobilwerk weltweit KI-gesteuerte Roboter zur Bearbeitung lackierter Oberflächen ein. Sie identifizieren und beseitigen winzige Abweichungen von der Norm, etwa Unebenheiten und Einschlüsse. Der Vorteil sei eine „höhere Bearbeitungsgeschwindigkeit bei gleichzeitig höherer Präzision“, sagt der Leiter der Lackiererei, Jürgen Stiegler. „Um ein annähernd vergleichbares Ergebnis manuell zu erreichen, müsste die Bearbeitungsdauer etwa um den Faktor 5 erhöht werden.“ Trotzdem hat deshalb niemand seinen Job verloren. Alle Mitarbeiter würden „selbstverständlich“ weiterhin beschäftigt, so Stiegler.

Auch bei Entwicklung und Installation der neuen Anlage seien sie einbezogen worden, „schließlich müssen die KI-gesteuerten Roboter und die Mitarbeiter quasi Hand in Hand arbeiten“. Selbst in dieser hoch automatisierten Produktionswelt kann die Maschine nicht alles. Ränder oder Tankklappen, deren Bearbeitung besondere Sorgfalt erfordert, liegen weiter in der Obhut von Menschen.

Vordringen in kreative Berufe

Auch die Kommunikationsfähigkeit sogenannter großer Sprachmodelle wie Chat GPT ist nichts anderes als Datenanalyse. Die Maschine hat anhand von Millionen Texten gelernt, Wörter so zu kombinieren, dass Menschen sie verstehen. Sie hat aber kein Bewusstsein dafür, welche Inhalte sie liefert. Auch deshalb kommt es immer wieder zu spektakulären Fehlern. Neu ist, dass KI mit Chat GPT und Co. in kreative Bereiche vordringt, die immun gegen Automatisierung zu sein schienen, etwa Recherche und Textarbeit.

Die Ergebnisse sind aber alles andere als perfekt. „KI kann nichts wirklich Neues kreieren, sie beruht auf Daten der Vergangenheit“, sagt Experte Terstegen. „Eine menschliche Intelligenz kann sie nicht ersetzen.“ Texte lesen sich oft wenig originell, aktuelle Informationen sind meist nicht verfügbar. Doch schon jetzt spricht aus Sicht vieler Unternehmen nichts dagegen, den virtuellen Assistenten etwa um eine Quellensammlung zu bitten, um einen E-Mail-Entwurf oder die Rohfassung einer Übersetzung. In vielen Bürojobs wird das zu einer neuen Arbeitsteilung zwischen Mensch und Maschine führen.

Handwerk und Pflege zeigen die Grenzen auf

In sozialen Berufen wie Altenpflege oder Kinderbetreuung hingegen wird KI wohl kaum angewendet werden, allenfalls in der Dokumentation oder bei Anträgen. Auch im Handwerk gelten viele Tätigkeiten als zu individuell oder komplex, als dass ein Roboter sie erledigen könnte. Als Gegenbeispiel wird gern die Kassiererin genannt, weil sich das Einziehen von Geld leicht automatisieren lässt. Doch hat eine Kassiererin nicht auch eine soziale Funktion? Ein Edeka-Markt in Schweinfurt hat kürzlich die erste „Plauderkasse“ eingerichtet, an der ausdrücklich Zeit für ein kleines Schwätzchen ist.

Beim Einkaufen kann KI nützlich sein. Allerdings wird sie das Personal an der Kasse nicht verdrängen können.

Wie stets bei Innovationen gibt es Gewinner. Technikspezialisten und Dienstleister etwa, die Arbeitsprozesse gestalten, sind mehr denn je gefragt. Zu ihnen zählen IT-Experten wie Informatiker, Datenwissenschaftler und Digitalisierungsmanager, aber auch Facharbeiter mit Zusatzkenntnissen. Bei BMW in Regensburg erstellen spezialisierte Fertigungsmitarbeiter jetzt Algorithmen. „Vor zehn Jahren kaum vorstellbar“, betont Stiegler. Einfache Programmiertätigkeiten hingegen könnten in dem Maße verschwinden, in dem KI lernt, sich selbst zu verbessern.

Beschäftigten, die sich auf die neue Technik vorbereiten wollen, empfehlen Experten, früh mit frei zugänglicher KI zu experimentieren. Hintergrundwissen liefern Online-Kurse (siehe unten). Detlef Gerst, Leiter des Ressorts Zukunft der Arbeit beim IG-Metall-Vorstand, rät zu aktiver Beschäftigung mit dem eigenen Job: „Welche Prozesse sind umständlich, welche Aufgaben eintönig? Könnten sie an ein Assistenzsystem delegiert werden?“ Dann sei man vorbereitet, wenn die Firma beginne, über einen KI-Einsatz nachzudenken, oder könne selbst Veränderungen vorschlagen.

Besonders für junge Leute lohnt bei der Karriereplanung die Überlegung, wie groß im Wunschberuf der Tätigkeitsanteil ist, der automatisiert werden kann. So dürfte die Nachfrage nach Büroassistenten, Controllern oder Dolmetschern tendenziell sinken. Da die KI-Revolution aber erst am Anfang steht, wird die Veränderung womöglich auch ganz andere Bereiche erfassen. Viel wichtiger als vermeintliche Sicherheit bei der Berufswahl ist daher die Bereitschaft, dazuzulernen und sich bei Bedarf umzustellen.

Kurse für KI-Einsteiger

Ein guter Start ist das von der Universität Helsinki entwickelte Online-Training „The Elements of AI“.

Der kostenlose Kurs ist unter www.elementsofai.de auf Deutsch zu finden. Sechs Kapitel können im eigenen Tempo abgearbeitet werden; die Teilnahme wird bescheinigt. Wer tiefer einsteigen will, findet auf der vom Bundesbildungsministerium geförderten Website www.ki-campus.org zahlreiche Kurse, Videos und Podcasts zum Thema. Durch den „Futuromat“ der Bundesagentur für Arbeit lässt sich herausfinden, ob der eigene Beruf durch KI betroffen sein wird: job-futuromat.iab.de.

„Ein Werkzeug, das nutzen und schaden kann“

Detlef Gerst, Leiter des Ressorts Zukunft der Arbeit beim IG-Metall-Vorstand zum Thema KI.

Detlef Gerst.

S-Quin: Beurteilen Sie KI als Gewinn oder als Bedrohung?
Gerst: Ich sehe KI einfach als Werkzeug. Es kommt darauf an, wie und zu welchen Zwecken sie eingesetzt wird. KI kann Arbeitsprozesse erleichtern und den Beschäftigten unglaublich viel Entlastung bringen. Falsch angewendet kann sie aber enormen Schaden anrichten, etwa wenn sie Überwachungsdruck verstärkt oder zu Diskriminierung führt.

S-Quin: Viele Arbeitnehmer sorgen sich, dass KI ihren Job wegrationalisieren könnte.
Gerst: Diese Befürchtung gibt es bei Innovationen immer, sie hat sich in der Vergangenheit aber nie bewahrheitet. Ich vermute, das wird auch diesmal nicht passieren. Aber der Technologiesprung ist so gewaltig, dass ich gut verstehe, dass Menschen ihre Funktion im Arbeitsprozess in Frage gestellt sehen. Tatsächlich wird KI eine Menge verändern und es wird nur wenige Arbeitsplätze geben, die nicht davon betroffen sind. Dass aber ganze Berufe wegfallen, glaube ich nicht.

S-Quin: Können Arbeitnehmer den Einsatz von KI mitgestalten?
Gerst: Das hängt stark vom jeweiligen Unternehmen ab und auch davon, ob es einen Betriebsrat gibt. Aus Arbeitgebersicht wäre es schlau, die Beschäftigten einzubeziehen, denn damit KI produktiv genutzt werden kann, muss sie gebrauchstauglich sein. Zum Beispiel ist zu klären, welche Daten verarbeitet werden, wer Zugriff auf die Systeme hat und wie sich Arbeitsaufgaben und Abläufe ändern. Ohne Mitsprache der Nutzenden geht die Technik an deren Interessen vorbei und wird womöglich nicht akzeptiert, weil Leute sich eingeschränkt fühlen.

S-Quin: Was ist nicht erlaubt?
Gerst: KI einzusetzen, um Beschäftigte zu durchleuchten. Es gibt dazu ein interessantes Urteil vom Landesarbeitsgericht Hessen. Eine Fluggesellschaft hatte an ihre Beschäftigten umfangreiche Fragebogen ausgegeben und von KI auswerten lassen. Im Ergebnis wurde eine Mitarbeiterin als Sicherheitsrisiko eingestuft und gekündigt. Sie klagte dagegen und bekam recht, weil der Arbeitgeber nicht erklären konnte, wie die KI zu ihrer Auffassung kam.

Fotos: Adobe Stock, Gerst, Shutterstock

 

 

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