Zukunftspläne schmieden Sie gern, aber ums Thema Krankheit oder Tod machen Sie lieber einen Bogen? Dabei ist es gar nicht so schwer, einen privaten Notfallplan aufzustellen. Im Fall des Falles erspart er Ihnen und Ihrer Familie viel Mühe.
Text: Johanne Gottfried
Der nächste Urlaub, der Wohnungskauf: Mit Zukunftsträumen beschäftigt sich jeder gern. Doch die unangenehmen Themen inklusive der Frage, was passieren würde, wenn man schwer erkrankt oder stirbt, schiebt man lieber auf. Möchten Sie Ihre Vermögensangelegenheiten im Griff haben und über Ihr eigenes Leben hinaus disponieren? Dann müssen Sie sich den dunklen Themen stellen. Denn sonst kann es passieren, dass im Ernstfall nicht Freunde oder Angehörige, sondern vom Betreuungsgericht bestellte Dritte über wichtige Fragen entscheiden.
Anna S. (Name geändert) hatte Glück im Unglück: Ihre Mutter entschloss sich nach einem Herzinfarkt, mit ihrer Tochter einen Notar aufzusuchen. Nach ausführlicher Beratung erteilte sie Anna S. eine General- und Vorsorgevollmacht mit Patientenverfügung mit Wirkung über den Tod hinaus. Als die Mutter an Demenz erkrankte, konnte ihre Tochter für sie nicht nur alle Finanzfragen abwickeln, sondern auch über ihre Behandlung entscheiden und nach ihrem Tod sogar den Nachlass abwickeln. Für ihr Vertrauen ist Anna S. ihrer Mutter heute noch sehr dankbar.
Den Fall der Fälle durchspielen
Es ist sinnvoll, durchzuspielen, was im Fall der eigenen Handlungsunfähigkeit passieren würde. Wer soll meine Angelegenheiten regeln? Wem vertraue ich genügend? Rechtsberatung erteilen neben Notaren auch spezialisierte Rechtsanwälte und Betreuungsvereine.
Inzwischen hat auch Anna S. mithilfe eines Notars Vorsorge getroffen und einen Notfallordner angelegt. Der steht gut auffindbar in ihrem Arbeitszimmer. Darin abgeheftet hat sie alle wichtigen Dokumente wie ihre eigene General- und Vorsorgevollmacht. Enthalten sind auch Infos zu Bankkonten und Versicherungen, Log-in-Daten für ihre E-Mail- und Social-Media-Accounts, wichtige Kontakte und vieles andere mehr.
Vorsorgevollmacht als Hauptdokument
Sofern man nicht gleich einer Vertrauensperson eine Generalvollmacht über den Tod hinaus erteilen möchte, ist eine Vorsorgevollmacht das wichtigste Teildokument im Notfallordner. Sie umfasst zumeist Erklärungen, die je nach Bedarf auch in getrennten Urkunden gefasst sein können. Dazu zählen meist eine Betreuungsverfügung und eine Patientenverfügung. Eltern mit minderjährigen Kindern sollten außerdem eine Sorgerechtserklärung abgeben für den Fall, dass beide versterben und das Familiengericht einen Vormund bestellen muss.
In einer Vorsorgevollmacht legen Sie fest, wer in Ihrem Namen handeln darf, wenn Sie Ihre eigenen Angelegenheiten nicht mehr regeln können. Gibt es keine Bevollmächtigte und keinen Bevollmächtigten, entscheidet das Betreuungsgericht, wer für Sie handeln darf. Häufig werden zwar Verwandte ausgewählt. Doch ob die Wahl wirklich auf Ihre Wunschperson fällt, ist unklar. Vielleicht leben Sie gerade in Scheidung und möchten daher auf gar keinen Fall, dass Ihr Noch-Ehepartner bestimmen darf? Daran sehen Sie, dass Vollmachten von Zeit zu Zeit überprüft und aktualisiert werden müssen.
Sie können auch mehrere Personen in einer Vorsorgevollmacht aufführen und ihnen verschiedene Zuständigkeitsbereiche zuweisen. Experten raten aber dazu, dass alle Personen eigenständig und unabhängig von den jeweils anderen entscheiden dürfen.
Streng genommen sind bei der Erteilung einer Vollmacht keine Formvorschriften zu beachten. „Nur eine beurkundete Vorsorgevollmacht deckt alle Arten von Rechtsgeschäften bestmöglich ab“, betont indes der Passauer Notar Stefan Bandel (siehe Interview). „Ein Notar sorgt für rechtssichere Formulierungen und berät über die Tragweite und den Vertrauenscharakter der Vorsorgevollmacht. Er schützt vor inhaltlich fehlerhaften oder ungenau abgefassten Vollmachten“, sagt Milan Bayram von der Bundesnotarkammer. Notare überprüfen auch die Identität und Geschäftsfähigkeit des Vorsorgewilligen und verweigern ihre Mitwirkung, sollte der Vollmachtgeber bereits geschäftsunfähig sein. So kann die Wirksamkeit der Vorsorgeurkunde später schwerer angezweifelt werden.
Langfristige Sicherheit
Ein wichtiger Vorteil der notariellen Beurkundung: Das Notariat verwahrt auch Jahrzehnte nach Erteilung noch das Original der Vollmachtsurkunde und erstellt bei Bedarf Ausfertigungen. „Die Ausfertigung ist eine offizielle Kopie des Originals, die im Rechtsverkehr zum Nachweis der Vorsorgevollmacht dient. Dadurch wird verhindert, dass die Vertrauensperson dadurch handlungsunfähig wird, dass sie ihre Vollmacht im Rechtsverkehr nicht nachweisen kann, weil sie die Originalurkunde verloren hat“, erläutert Bayram.
Die Kosten für eine notariell erstellte Vorsorgevollmacht sind überschaubar. „Die genaue Berechnung hängt von den Leistungen ab“, so Bayram. „Das notarielle Gebührensystem ist ein Wertgebührensystem. Damit entstehen bei kleineren Vermögenswerten geringere Gebühren und bei größeren Vermögenswerten höhere Gebühren.“ Bei der notariellen Beurkundung fallen nach dem Gerichts- und Notarkostengesetz bei einem Vermögen von 200.000 Euro zum Beispiel etwa 300 Euro an Gebühren plus 19 Prozent Umsatzsteuer an. Die Bundesnotarkammer betreibt auch das Zentrale Vorsorgeregister (ZVR). Darin sollte jeder Vorsorgewillige seine Vorsorgevollmacht registrieren lassen, damit sie im Fall der Fälle schnell zur Geltung kommt. Ende 2023 waren im ZVR über sechs Millionen Vorsorgeverfügungen registriert.
Separate Kontovollmacht erteilen
Wichtig zu wissen: Sparkassen und Banken legen Wert darauf, dass aus Haftungsgründen zusätzlich zur Vorsorgevollmacht eine Kontovollmacht vorliegt. Sollten Sie Ihre Bankangelegenheiten an Dritte abgeben wollen, berücksichtigen Sie dies. „Eigentlich wäre das bei Vorliegen einer notariell beurkundeten Vorsorgevollmacht, die den Finanzbereich mit abdeckt, nicht erforderlich“, betont Notar Bandel.
Eine gesonderte Bankvollmacht bietet in der Praxis aber den Vorteil, dass die Bankmitarbeiter das Formular kennen und einfach prüfen können, ob die Vollmacht das gewünschte Bankgeschäft tatsächlich abdeckt. Die Vollmacht ist sofort wirksam; Banken und Sparkassen überprüfen nicht, ab wann und unter welchen Voraussetzungen sie genutzt wird. Man sollte also seine Vertrauensperson gut aussuchen. Aber das gilt natürlich ohnehin.
Checkliste
So gehen Sie Schritt für Schritt auf dem Weg zur Vollmacht vor.
- Vertrauen: Nur Personen, denen Sie absolut vertrauen, sollten Sie eine Vorsorgevollmacht erteilen.
- Einlesen: Überlegen Sie den Umfang der Vollmacht. Rat finden Sie in den Buchtipps unten und beim Bundesjustizministerium: bmj.de.
- Notar: Wer die Vorsorgevollmacht vom Profi machen lässt, vermeidet Fehler. Für einige Rechtsgeschäfte ist eine notarielle Beurkundung erforderlich.
- Umfang: Wollen Sie nicht nur eine Vorsorgevollmacht, sondern eine umfassende Generalvollmacht über Ihren Tod hinaus erteilen? Damit lassen sich – zumindest im deutschen Rechtsraum – auch Nachlässe gut abwickeln.
- Registrieren: Wenn Sie Ihre Vorsorgevollmacht beim Zentralen Vorsorgeregister registrieren lassen, ist sie im Notfall rasch auffindbar.
„Ab 18 daran denken“
Der Passauer Notar Stefan Bandel erläutert, warum jeder eine Vollmacht erteilen sollte.
S-Quin: Wer sollte erwägen, eine Vorsorgevollmacht zu erteilen?
Bandel: Viele denken erst im fortgeschrittenen Alter daran. Aber eigentlich sollte man schon ab 18 darüber nachdenken. Auch junge Menschen können durch Unfall oder Krankheit handlungsunfähig werden. Jeder, der nicht riskieren möchte, dass staatliche Stellen dann über seine Geschicke bestimmen, sollte eine Vorsorgevollmacht erteilen.
S-Quin: Was sollte man vor Erteilung bedenken?
Bandel: Vollmacht heißt „volle Macht“. Man sollte sich daher sehr gut überlegen, wem man so tief vertraut, dass man ihm oder ihr eine Vorsorgevollmacht erteilen möchte. Die Person oder die Personen sollten auch bereit und in der Lage sein, den Willen des Vollmachtgebers umzusetzen. Sprechen Sie mit ihnen vorab gut über Ihre Vorstellungen.
S-Quin: Muss man dafür zwingend zum Notar?
Bandel: Streng genommen gibt es keine Formvorschriften. Wenn die Vollmacht aber Gesundheits- und Unterbringungsangelegenheiten regeln soll, ist die Schriftform ein Muss. Für bestimmte Angelegenheiten – Grundstücksgeschäfte, Eintragungen in Register und Erbausschlagungen – ist zwingend eine Vollmacht in notariell beglaubigter Form erforderlich. Das bedeutet, dass der Notar nur die Unterschrift beglaubigt hat, der Vollmachttext aber nicht von ihm stammt. Wenn eine Vorsorgevollmacht aber alle Arten von Rechtsgeschäften bestmöglich abdecken soll, ist eine notariell erstellte und beurkundete Vorsorgevollmacht erforderlich.
S-Quin: Hat durch das 2023 eingeführte Ehegatten-Notvertretungsrecht die Wichtigkeit, eine Vorsorgevollmacht zu erstellen, abgenommen?
Bandel: Nein. Das Notvertretungsrecht des Ehegatten umfasst nur Entscheidungen im medizinischen Bereich, nicht aber die Vermögenssorge und ist auf nur sechs Monate begrenzt.
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