Das Neusser Shakespeare Festival lädt vom 13. Mai bis 10. Juni 2023 wieder alle Theaterfreunde ein. „20 Inszenierungen mit rund 40 Vorstellungen bieten wir dieses Jahr unserem Publikum“, sagt Maja Delinić, die in ihre zweite Spielzeit als Intendantin geht. Im S-Quin-Interview sagt sie, warum sich auch in diesem Jahr ein Festivalbesuch unbedingt lohnt. Das Interview führte Gunnar Erth.
S-Quin: In diesem Jahr gibt es einen Fokus auf Hamlet? Wieso?
Maja Delinić: Ich hatte letztes Jahr schon ein Auge auf Klaus Pohls Roman „Sein oder Nichtsein“ geworfen, der sich um die legendäre Inszenierung von Peter Zadek 1999 mit Angela Winkler als Hamlet dreht. Die Themenkomplexe des Hamlets haben aktuell auch sehr viel mit uns zu tun. Das ist wohl auch der Grund, warum sich momentan viele Theater und Companys mit „Hamlet“ beschäftigen. Da war es nur passend, dieses Jahr einen Schwerpunkt zu setzen. Wir bieten dem Publikum Querverbindungen an, mit Veranstaltungen, die aufeinander Bezug nehmen oder verschiedene Blickwinkel bieten. Das ist für unser Publikum, das größtenteils aus versierten Shakespeare-Expertinnen und -Experten besteht, sehr interessant.
S-Quin: In der Tat: Hamlet mal als Drama toxischer Familienbeziehungen, mal als Puppen-Musical, mal als Lesung… Bieten Sie auch Diskussionsräume an, um über die Inszenierungen zu reflektieren?
Delinić: Ein anderes Beispiel für diesen vergleichenden Ansatz: Wir haben auch zwei Inszenierungen des „Sommernachtstraums“, eine auf Deutsch, eine in englischer Sprache, die auch komplett unterschiedlich sind. Zu jedem Stück wird es Einführungen geben, die bieten einen guten Raum zum Einordnen – und machen auch Lust, die übrigen Aufführungen zu sehen. Außerdem laden wir nach einigen ausgewählten Vorstellungen dazu ein, gemeinsam mit uns und den Schauspielerinnen und Schauspielern und Theatermacherinnen und Theatermachern zu diskutieren. Welche Vorstellungen das sind, finden Sie auf unserer Website shakespeare-festival.de.
S-Quin: Sie haben auch drei Werke in Auftrag gegeben, die in Neuss uraufgeführt werden. Ist das neu?
Delinić: Es ist nicht ungewöhnlich, dass man als Festival Aufträge vergibt. Wenn jemand zu uns kommt mit einer spannenden Idee, dann sind wir dafür offen. Zwei der diesjährigen Auftragsarbeiten sind im künstlerischen Gespräch entstanden – etwa mit den Erlkings aus Österreich, die auf uns zugekommen sind, weil sie unbedingt im Globe in Neuss auftreten wollten. Mir hat das Konzept sehr gut gefallen und so sind die Auftragsarbeiten entstanden.
S-Quin: Was bringen die Erlkings auf die Bühne?
Delinić: Die Erlkings spielen neu arrangierte Kunstlieder für Gitarre, Cello, Tuba und Schlagwerk. Inhaltlich bringen sie Shakespeare und Goethe zusammen und verpacken dies in einen musikalischen Abend. Die Erlkings, die sonst auch in der Londoner Wigmore Hall oder dem Wiener Konzerthaus auftreten, sind superglücklich, dass sie bei uns spielen können – und wir über diese Kooperation. Ich denke, dass dieser Abend auch sehr gut beim Neusser Publikum ankommen wird.
S-Quin: Was können Sie zu den anderen Aufträgen sagen?
Delinić: Angela Winkler zeigt das Programm „Shakespeare. Begegnungen“, das sie gemeinsam mit einem Streichquartett der internationalen Spitzenklasse, dem Delian Quartett, erarbeitet hat. Der Abend ist ein Zusammenspiel aus Literatur und Musik: Shakespeare-Sonette, Monologe und Ausschnitte aus dem Hamlet treffen auf Werke von Schostakowitsch und Mendelssohn Bartholdy.
S-Quin: Und wie hat Angela Winkler reagiert?
Delinić: Sie war begeistert von der Idee, ein Shakespeare-Programm musikalisch und literarisch auf die Beine zu stellen, das dann im Globe Premiere feiern darf.
S-Quin: Was ist die dritte Auftragsarbeit?
Delinić: „Everybody wants to be Puck“ von der Choreographin und Performerin Teresa Zschernig und der Komponistin Aylin Leclaire. Puck ist ein wandelbares Wesen aus dem „Sommernachtstraum“, über das man nichts Genaues weiß – ist es groß oder klein, Elf oder Kobold? Die Performance dreht sich um die Frage nach der Identität und Geschlechterzugehörigkeit – sehr aktuelle Themen, die gerade ein jüngeres Publikum ansprechen, aber nicht nur. Ich finde es sehr spannend, verschiedene Generationen bei diesem Thema zusammenzubringen.
S-Quin: Welche neuen Ideen verwirklichen Sie sonst noch in diesem Jahr?
Delinić: Das Theatre Binge Watching! Es basiert ebenfalls auf unseren Erfahrungen des vergangenen Jahres. Damals war die Bremer Shakespeare Company unter anderem mit ihren drei Monologen dabei. Die konnte man am Stück ansehen. Ich war mir nicht sicher, wie das beim Publikum ankommt, weil dies ja doch ein sehr langer Theatertag ist – und ich war völlig begeistert, die Leute haben nicht genug bekommen! So entstand die Idee des Theatre Binge Watching. Wir zeigen am Wochenende 20. und 21. Mai jeweils vier Einpersonenstücke von je einer Stunde hintereinander. Dazwischen gibt es jeweils eine Stunde Pause, in der man ein Picknick machen oder einfach das hoffentlich gute Wetter genießen kann. Man kann aber auch Tickets für einzelne Veranstaltungen an den Tagen buchen.
S-Quin: Auf dem Programm des Festivals steht auch Live-Musik. Was machen Sie genau?
Delinić: Wir wollen das Festival noch stärker zum Begegnungsort machen. Die Idee ist, nach der Eröffnung und dem Finale die Leute zum Verweilen und zum Austausch einzuladen. Für den Zweck haben wir das Clemens Gutjahr Trio engagiert, das Modern Jazz mit Elektronischen Sounds spielen wird – quasi als kostenlose Zusatzveranstaltung mit toller Musik.
S-Quin: Ist das Festival jetzt so, wie Sie es möchten?
Delinić (lacht): Theater ist immer etwas Prozesshaftes. Man entwickelt immer neue Ideen und will immer etwas Neues ausprobieren. Deshalb wird wahrscheinlich nie der Tag kommen, wo ich sagen werde: „Jetzt bin ich zufrieden.“
S-Quin: Aber der internationale Charakter wird immer Bestand haben?
Delinić: Auf jeden Fall! Wir haben Companys aus Großbritannien, Österreich, Tschechien, der Türkei, dem Libanon und dem Kosovo dabei. Aber auch die Regionalität ist mir wichtig. Ich schaue zum Beispiel bewusst, welche interessanten Produktionen es in Nordrhein-Westfalen gibt. Insgesamt ergibt sich ein guter Mix aus nationalen und internationalen Gästen. Dem übergeordnet ist weiterhin die Leitidee, eine adäquate Präsenz der zeitgenössischen Shakespeare-Interpretationen zu zeigen. In Zahlen heißt das: 19 Companys, 20 Produktionen und 40 Vorstellungstermine, darunter vier Schulvorstellungen und ein Stück für Kinder.
S-Quin: Ein Stück für Kinder? Ist das neu?
Delinić: Nein, das gab es schon bei früheren Shakespeare Festivals. Unter meiner Intendanz ist es das erste Mal: Ein Stück für Kinder ab 8 Jahren ist im Programm! Wir sammeln damit Erfahrungen mit Theater für den Nachwuchs und wollen dies auch weiter fördern.
S-Quin: Wovon handelt diese Aufführung?
Delinić: Das Frankfurter TheaterGrueneSosse zeigt „Heinrich der Fünfte“ von Ignace Cornelissen, frei nach Motiven von William Shakespeare. Es ist ein Drama über die Sinnlosigkeit des Krieges – mit einer großen Sandburg auf der Bühne. Am Ende ist alles zerstört, so dass niemand etwas durch den Krieg gewonnen hat. Ein Stück, das leider immer noch aktuell ist. Dazu gibt es auch noch einen Workshop für Kinder, der gebucht werden kann.
S-Quin: Einige alte Bekannte sind auch wieder dabei, etwa die Bremer Shakespeare Company.
Delinić: Ja, mit zwei Stücken. Eines davon ist eine Koproduktion mit dem türkischen Tiyatro BeReZe, von dem ich auch völlig fasziniert bin. Das andere ist die Inszenierung von „Maß für Maß“. Somit zeigt sich die Bremer Shakespeare Company mit verschiedenen Facetten. Diese Kooperationen laufen sehr gut, die Nachfrage ist groß. Die HandleBards und das Rheinische Landestheater sind ebenfalls wieder dabei. Es ist mir sehr wichtig, an die bewährten Traditionen des Festivals anzuknüpfen.
S-Quin: Wie waren Sie zufrieden mit dem Festival 2022?
Delinić: Der Zuspruch und die große Offenheit haben mich begeistert. Es ist nicht leicht, in die 30-jährigen, großen Fußstapfen meines Vorgängers Dr. Rainer Wiertz zu treten. In dieser Zeit ist das Festival enorm gewachsen und ich finde es klasse, dass ich zu diesem tollen Team im Kulturamt dazukommen durfte. Und 2022 ging wirklich alles sehr schnell! Wir hatten nur drei Monate Zeit, um das Festival zu planen. Deshalb war ich auch sehr nervös – wobei ich diesmal fast noch nervöser bin!
S-Quin: Wie sah das Feedback aus?
Delinić: Manche Zuschauerinnen und Zuschauer kamen zu mir und waren begeistert, andere gaben ihr Feedback, was gefiel oder auch, was nicht gefiel – diesen Austausch schätze ich sehr. Dass bei einem Festival nicht jedem alles gefallen kann, ist klar. Wir wollen schließlich sehr unterschiedliche Facetten und Darstellungsformen zeigen und bemühen uns, für alle Geschmäcker etwas zu haben. Insgesamt war das Feedback Gold wert. Und ich bin froh, dass sich in so kurzer Zeit eine tolle Beziehung zwischen dem Kulturamt, dem Publikum und mir entwickelt hat.
S-Quin: Auf welche Inszenierung freuen Sie sich denn besonders?
Delinić: Ich sehe das ganze Programm als eine große Inszenierung. Ein Zusammenspiel verschiedener Themen und Ästhetiken. Deswegen freue ich mich auf unser Publikum und auf seine Reaktion. Ich denke, dass die Querverbindungen zwischen den Inszenierungen und die vielen unterschiedlichen Künstlerinnen und Künstler für viel Unterhaltung und Stoff zu Diskussionen bieten werden. Wir werden wieder so tolle Menschen auf der Bühne haben, die mit ihrem Charisma, ihrer Präsenz und ihrer Aura das ganze Globe füllen werden. Darauf freue ich mich total.
Tickets und Gewinnspiel
Der Ticketverkauf läuft seit Samstag, 15. April 2023. Die Einzel- und Kombitickets sind über die Hotline 02131 526 99 99 9, unter www.shakespeare-festival.de und bei allen bekannten Vorverkaufsstellen erhältlich.
S-Quin verlost zudem je 2 x 2 Freikarten für „Sein oder Nichtsein oder The Director is not Present“ mit dem Theater Aachen am 14. Mai und „Let us Garlands bring! Lieder mit Poesie von Shakespeare und Goethe“ von den Erlkings am 1. Juni 2023. Das Gewinnspiel finden Sie online im S-Quin-Portal. Teilnahmeschluss: 20. April 2023.
Viel Hamlet, Binge-Watching und mehr: So wird das Shakespeare Festival 2023