Junge, dynamische Mitarbeitende sind auf dem Arbeitsmarkt immer gefragter. Die besten Chancen haben jene mit einer qualifizierten Ausbildung. Wie Berufseinsteiger und Aufstiegswillige ihren Berufsweg zielgerichtet einschlagen.
Text: Eva-Maria Neuthinger
Die Abiturnote war nur Durchschnitt. Als Moritz Schubert (Name geändert) vor vier Jahren seine Schullaufbahn beendete, war für ihn klar: Er wollte Betriebswirtschaftslehre studieren und Manager werden. Also bewarb sich der damals 18-Jährige an einer Universität in Nordrhein-Westfalen – und wurde genommen. Dann fiel er durch mehrere Prüfungen, brach das Studium ab und absolvierte mit großem Erfolg eine Lehre als Industriekaufmann. Die Ausbildung konnte Schubert sogar verkürzen, er schnitt mit einer erstklassigen Note ab. Sein Betrieb hat ihn übernommen. „Das Angebot für eine Festanstellung habe ich gern akzeptiert, wenn ich auch vermutlich zum nächsten Semester das Studium an einer Fachhochschule wieder aufnehmen möchte“, sagt er.
Ein etwas holpriger Start in die Karriere ist kein Einzelfall. Viele Schulabgänger wissen nach ihrem Abschluss noch nicht, welchen Weg sie einschlagen wollen. Laut Statistik des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung in Hannover bricht jedes Jahr rund ein Viertel bis ein Drittel der Studiosi im Bachelorstudiengang die Ausbildung ab. Beim Master ist es im Schnitt jeder fünfte.
Gleichzeitig können junge Leute heute aus wesentlich mehr Ausbildungsmöglichkeiten wählen. Das Centrum für Hochschulentwicklung gibt eine Zahl von rund 20 000 Studienangeboten an. Allein 122 Ausbildungsberufe wurden neu geordnet, wie das Bundesinstitut für Berufsbildung in einer Studie feststellt. Interessant: Die meisten Ausbildungsbetriebe erwarten von den Bewerbern kein Abitur. Ein Hauptschulabschluss ist für eine Lehre weit mehr gefragt, hat das Institut ermittelt.
Der Fachkräftemangel nimmt zu
Damit stellt sich automatisch die Frage: Was ist besser, Studium oder Lehre? „Die Chancen für einen guten Job stehen für Berufstätige mit einer qualifizierten Ausbildung nicht schlecht“, sagt Holger Schütz, Fachbereichsleiter Arbeit, Wirtschaft, Innovation beim Institut für angewandte Sozialwissenschaft (Infas) in Bonn. Hintergrund ist der demografische Wandel. Viele der heute rund 60-Jährigen – die Babyboomer – gehen bald in Rente. Die Unternehmen suchen daher nach Fach- und Führungskräften. Der Bedarf ist allerdings regional stark unterschiedlich. „Daher ist es sinnvoll, die örtliche Marktsituation im Blick zu halten, wenn es um Ausbildung oder Arbeitsplatzwechsel geht“, rät Schütz.
Viele Lehrberufe sind in den letzten Jahren modernisiert worden
So erzählt Markus Kunz (Name geändert), ein Rohrreiniger aus der Region Düsseldorf, dass er recht gut verdiene und seine Firma an einem guten Betriebsklima interessiert sei. Sein Chef wolle ihn halten, „weil es nur wenige Menschen gibt, die unseren Beruf ausüben wollen. Schließlich wühlen wir im Dreck“, erklärt Kunz. Seine Tätigkeit gefalle ihm dennoch, weil „es hier auch viel um Technik geht“.
Experte Schütz rät dazu, sich bei der Karriereplanung nicht nur auf die bekannten oder populären Berufe zu konzentrieren, sondern auch weniger renommierte und unbeliebtere Berufe einzubeziehen. „Die persönlichen Chancen auf dem Arbeitsmarkt können sich dadurch verbessern“, betont er.
Schon früh Extras zum Gehalt
Komplett überlaufen scheinen Ausbildungen zur Tierpflegerin oder zum Tierpfleger zu sein. Ganz anders sieht es bei Bäckern aus. „Wir suchen eigentlich permanent Auszubildende, entweder für dieses oder schon für das kommende Jahr“, berichtet Susanne Szamosi, Geschäftsführerin des Familienunternehmens Bäckerei Reitberger in Passau.
Um Mitarbeitende zu finden und zu binden, bietet die Unternehmerin einige Extras zum Gehalt, etwa Personalrabatt, Verpflegung während der Arbeit, Nachtzuschläge oder Weiterbildungen. „Nach einem Jahr Betriebszugehörigkeit haben wir zusätzliches Urlaubs- und Weihnachtsgeld sowie natürlich eine gute betriebliche Altersvorsorge im Programm“, erläutert Szamosi. Viele Firmen, die qualifizierte Arbeitnehmer suchen, gewähren ihren Mitarbeitern ähnliche Vorteile.
Englisch gilt nicht als Fremdsprache
So kann sich ein auf den ersten Blick weniger interessanter Job als äußerst attraktiv entwickeln. In den bestbezahlten oder beliebten Branchen ist dagegen häufig die Konkurrenz groß. Fluglotsen, Physiotherapeuten, Bank- oder Bürokaufleute gibt es in großer Zahl – und auch viele Bewerber.
Um einen guten Ausbildungsplatz zu bekommen, sollte man gut Deutsch können und die grundlegenden Rechentechniken beherrschen – inklusive Prozentrechnung und Dreisatz. Auch Grundkenntnisse in Naturwissenschaften sind hilfreich. Englisch gilt heute nicht mehr als Fremdsprache. Das sollte jeder ohne Hemmungen sprechen und schreiben können. Außerdem betrifft die Digitalisierung jeden. Einen reflektierten Umgang mit Medien jeder Art setzen die Unternehmen in der Regel voraus.
Eine Ausbildung ist gut, aber ist ein Studium noch besser? Nach dem aktuellen Bildungsbericht von Bund und Ländern hat jeder zweite Abiturient vor, irgendwann zu studieren. Die Gehaltschancen bleiben attraktiver als bei einer Ausbildung. In der Regel rechnet sich das langfristig, auch wenn man als Studentin oder Student nichts oder nur im Nebenjob dazuverdient. Andererseits: Wer einen Abschluss in einem Fach wie etwa Betriebswirtschaftslehre macht, muss mit vielen anderen Bewerbern leben.
Eine Alternative kann ein duales Studium sein. Viele größere Firmen und Bildungsträger bieten die bezahlte Kombination von Ausbildung und Studium an. Die Vorteile liegen auf der Hand: Man hat während der Lehrjahre den Bezug zur Praxis und damit Berufserfahrung. In der Regel bilden Firmen aus, um zu übernehmen, und man verdient von Anfang an.
Man muss aber wissen: Freizeit bleibt wenig, die doppelte Ausbildung ist Stress. Außerdem legt man sich früh fest. Ein Abbruch wäre folgenschwer. Vielleicht ein Grund, warum noch immer die klassische Lehre mit anschließendem Studium als Königsweg gilt. Was unterm Strich immer zählt, fasst Gerd Zika vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zusammen. „Man sollte ein hohes Bildungsniveau anstreben, und das mit guten Noten“, so der Experte.
Jobs müssen Spaß machen
Doch ist der Einstieg erst geschafft, wie plant man am besten seine Karriere? Darauf gibt es keine einfache Antwort, denn Karrierepfade sind heute selten so geradlinig wie früher. Mehr Menschen wechseln häufiger Arbeitgeber oder Beruf, was durchaus Sinn ergeben kann.
Grundvoraussetzung sollte bei jeder Planung sein: Man muss für den Job brennen, er sollte Spaß machen. Die ersten Jahre nutzen Berufseinsteiger am besten dafür, möglichst breit Erfahrungen zu sammeln. Hier sollte man auch die Selbstreflexion nicht vergessen: Was macht Spaß? Was läuft besonders gut? Wo zeigen sich Schwächen? Wer sich etwa nicht gern präsentiert, wird bei dieser Aufgabe möglicherweise immer aufgeregt sein.
Auch die Lebensumstände gilt es zu beachten. Dabei geht es nicht nur um die eigene Work-Life-Balance. Familie und Job sollten sich unter einen Hut bringen lassen. Das ist besonders wichtig, wenn man zum Beispiel eine Selbstständigkeit anstrebt oder in einer Firma auf der Karriereleiter nach oben will, denn man wird auch mal länger im Job bleiben müssen. Das sollte daheim nicht zu Ärger und Unruhe führen.
Zugleich hört das Lernen nach den ersten Berufsjahren nicht auf. Nicht nur Weiterbildungen sind wichtig, auch Jobwechsel bringen neue Kenntnisse und Erfahrungen. Und natürlich befördern auch gute Kontakte – das Vitamin B – die Karriere. Nicht nur über soziale Netzwerke lassen sie sich knüpfen. Auch im Freundeskreis oder auf Messen, Kongressen oder Events, sobald sie nach der Pandemie wieder stattfinden, bieten sich Möglichkeiten zum informellen Austausch.
„Die Fachkräftelücke bleibt bestehen“
Anika Jansen vom Institut der Wirtschaft in Köln weiß, wo der Fachkräftemangel drückt – und wo sich die besten Jobchancen finden.
S-Quin: Der Fachkräftemangel beschäftigt viele Firmen. Wo sind die größten Probleme?
Anika Jansen: Am meisten werden Fachkräfte in der Altenpflege gesucht, gefolgt von Krankenpflegern. Wir verzeichnen im gesamten Gesundheitsbereich zahlreiche offene Stellen. Im Bereich Bauelektrik, Sozialarbeit oder Sozialpädagogik gibt es ebenfalls viele Angebote. Gesucht sind zudem Sanitär-, Heizungs- und Klimatechniker oder Informatiker, Bauplaner und alle, die im Neubau arbeiten. Aber auch die Steuerberatungskanzleien haben Schwierigkeiten, Mitarbeitende zu finden.
S-Quin: Das ist der Stand der Dinge. Wie wird sich das in den nächsten zehn Jahren entwickeln?
Jansen: In Branchen, die heute schon stark vom Fachkräftemangel betroffen sind, bleibt das wahrscheinlich auch in der Zukunft. Die Lücke lässt sich in der nächsten Dekade wahrscheinlich nicht so schnell schließen. Es wird davon ausgegangen, dass pro Jahr 400 000 qualifizierte Fachkräfte zuwandern müssten, um den demografischen Wandel zu kompensieren. Aktuell werden vor allem Fachkräfte mit abgeschlossener Ausbildung gesucht. Eine duale Ausbildung ist also auf jeden Fall eine gute Eintrittskarte in das Berufsleben.
S-Quin: Es wird neue Berufe und Verschiebungen am Arbeitsmarkt geben. Wo genau?
Jansen: Sicher werden nachhaltiges Wirtschaften, Klima- und Umweltschutz in den Firmen noch höheren Stellenwert erhalten. Entsprechend wird es neue Berufe oder Tätigkeitsprofile geben. Das betrifft etwa den technischen Bereich. Aber es werden weiterhin Menschen gebraucht, die die Technik beherrschen. Die Ausbildungsordnungen werden an die Entwicklung angepasst – auch, was die Anforderungen der Digitalisierung betrifft.
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