„Das ganze Festival ist eine Entdeckungsreise“

Neun Konzerte mit historischer Aufführungspraxis, erstmals eine kleine Barockoper im Neusser Globe, dazu zwei musikalische Movimento-Radtouren – das Programm des Festivals Alte Musik Knechtsteden ist 2022 facettenreicher denn je. Festivalgeschäftsführer Michael Rathmann erläutert im S-Quin-Interview, was die Gäste erwartet. Übrigens: S-Quin-Kunden können Tickets für Movimento gewinnen – mehr dazu am Ende des Interviews.

Interview: Gunnar Erth

Michael Rathmann: Foto: Thomas Kost

S-Quin: Das Festival Alte Musik Knechtsteden geht erstmals auch ins Neusser Globe. Warum und was präsentieren Sie?
Michael Rathmann: Wir sind immer auf der Suche nach neuen Veranstaltungspartnern, um neues Publikum zu erreichen. Jetzt bot sich mit dem Globe ein fantastischer Ort an, dank einer tollen Kooperation mit dem Kulturamt der Stadt Neuss. Wir erschließen dort den Bereich barocke Miniaturoper und führen am 24. August unter dem Titel „Baroque Sommeroper im Globe Neuss“ Alessandro Scarlattis Kurzoper „Il giardino d’amore“ auf, hochkarätig besetzt mit dem Ensemble 1700 unter der Leitung von Dorothee Oberlinger und zwei Gesangssolisten.

S-Quin: Wer ist das Ensemble 1700?
Rathmann: Das ist ein Barockorchester, das Dorothee Oberlinger gegründet hat. Es spielt in verschiedenen Formationen mit bis zu 25 Musikern. Bei der Serenata werden es 15 sein.

S-Quin: Was genau ist eine Serenata – dies wird ja oft mit Serenade verwechselt?
Rathmann: Ja. Eine Serenata ist ein Konzertstück mit Gesang, sommerliche Abendmusik, die insbesondere im italienischen Barock sehr beliebt war. Für große Opern war es damals oft zu heiß, so hat man diese Miniaturopern entwickelt, die oft an Fürstenhöfen zur Unterhaltung der Abendgäste gespielt wurden. Die Inhalte sind meist gefällig – bei uns geht es zum Beispiel um Venus und Adonis, die sich suchen und glücklicherweise auch finden. Solche mythologischen Inhalte waren beliebt. Das, was die große italienische Oper bietet, gibt es auch bei der Serenata, nur eben kleiner und kürzer.

Das Ensemble 1700 wird im Globe zu sehen sein. Foto: Johannes Ritter

S-Quin: Und was gibt’s Neues bei der eigentlichen Festivalwoche?
Rathmann: Die Festivalwoche vom 17. bis 24. September ist mit neun Konzerten ähnlich konzipiert wie in den vergangenen Jahren. Wir sind froh, dass wir dieses Niveau trotz der Coronauswirkungen halten können und unserem Publikum ein facettenreiches Programm anbieten dürfen – vom intimen Kammermusikabend bis zum großen Oratorium.

S-Quin: Gibt es einen Schwerpunkt?
Rathmann: Einen Schwerpunkt haben wir rund um den 300. Geburtstag des „Wohltemperierten Klaviers“. Diese Sammlung, die Johann Sebastian Bach damals herausgegeben hat, kennt jeder Pianist. Wir widmen dem „Wohltemperierten Klavier“ zwei Cembaloabende und ein Werkstattgespräch. Dazu wird es eine digitale Veröffentlichung geben, die das Werk anekdotisch und musikwissenschaftlich aufbereitet. Dort fließen auch Mitschnitte der beiden Konzerte mit ein.

Dorothee Oberlinger. Foto: Henning Ross

S-Quin: Was gibt es diesmal sonst noch Spannendes zu entdecken?
Rathmann: Das ganze Festival ist eine Entdeckungsreise, das zeigt schon der Titel „Verborgene Wirklichkeiten“. Unser Festivalleiter Hermann Max hat ein Programm mit einem Schwerpunkt auf dem Barock entwickelt, das die Einflüsse auf die Komponisten aufzeigt. Das macht das Eröffnungskonzert deutlich: Telemann, ein urdeutscher Komponist, hat auch im französischen Stil komponiert, ebenso wie Bach. Dazu gibt es originalfranzösische Musik. Das zeigt feine Querverbindungen auf. Ein anderes Beispiel ist das Programm „Dixit Dominus – Händel in Rom“ am 20. September, bei dem die Sparkasse Neuss Partner ist. Das Konzert beleuchtet, wie Händel bei seinen Reisen durch Italien viele Einflüsse mitgenommen hat. Die Barockmusik war sehr europäisch!

S-Quin: Was sollte man sich als Besucher nicht entgehen lassen?
Rathmann: Ich empfehle unser Abschlusskonzert „Bach im 19. Jahrhundert“, das sich mit der Wiederentdeckung der Barockmusik befasst. Bis zum 19. Jahrhundert wurden immer nur Neukompositionen aufgeführt. Und dann startete Mendelssohn eine musikalische Renaissance – er führte zum Beispiel die Matthäuspassion erstmals neuzeitlich auf. Bei dieser Beschäftigung mit der musikalischen Geschichte ist auch Brahms eine Schlüsselfigur.

S-Quin: Inwiefern?
Rathmann: Brahms hat sich der Werke Bachs angenommen und Adaptionen für die Orchester der Romantik geschrieben. Die historische Aufführungspraxis von heute bis hin zu den Instrumenten gab es damals noch nicht. Viele Dinge waren vergessen. Wir haben in diesem Konzert quasi eine doppelte historische Aufführungspraxis – Originale und Adaptionen des 19. Jahrhunderts. So spielen wir ein Bachkonzert für drei Cembali in der Brahms-Version mit drei Hammerflügeln. Die stammen aus der Zeit um 1850 – und die alleine aufzutreiben und erklingen zu lassen, ist schon etwas Besonderes. Das Konzert spiegelt den Entdeckergeist der Zeit wieder.

Kiveli und Danae Doerken werden beim Abschlussskonzert Bach auf dem Hammerflügel spielen. Foto: Amanda Holmes

S-Quin: Die Movimento-Fahrradtouren mit ihren Konzerten am Wegesrand sind ein weiterer Schwerpunkt des Festivals, oder?
Rathmann: Auf jeden Fall. Die Premiere der Tour am Rhein zwischen Düsseldorf und Dormagen war 2021 ein voller Erfolg. Dieses Jahr kommt eine wunderschöne idyllische Strecke an der Erft zwischen Grevenbroich und Neuss hinzu. Die erste Tour ist am 11. September, dem Tag des offenen Denkmals; die zweite Tour am 25. September, beendet unser Festival. Auf beiden Touren können Spielstätten entdeckt werden, die man sonst nicht so auf dem Schirm hat.

Movimento-Tour Nummer 1

S-Quin: Zum Beispiel?
Rathmann: Für mich zählt zum Beispiel die Kirche St. Paulus in Neuss-Weckhoven mit ihrer modernen sakralen Architektur und ihrem originellen Zinkdach aus den 70er-Jahren dazu. Deswegen freue ich mich, dass wir gleich zwei Strecken anbieten können. Movimento ist Radfahren mit Kulturgenuss!

S-Quin: Wie läuft eine Radtour ab?
Rathmann: Beide Touren sind Ganztagsveranstaltungen – von 9 bis 19 Uhr, wobei man zu verschiedenen Zeiten startet. An der Rhein-Strecke haben wir acht Stationen, an der Erft sind es sieben. Die Musikprogramme an den einzelnen Stationen sind jeweils etwa 15 bis 20 Minuten lang und werden zu bestimmten Zeiten wiederholt.

S-Quin: Wie oft werden die einzelnen Stücke gespielt?
Rathmann: Vier bis fünf Mal. Die einzelnen Konzerte sind übrigens absolut vielfältig und unterscheiden sich deutlich von der Premierentour 2021. Wer letztes Jahr dabei war, wird diesmal auf jeden Fall viel Neues entdecken.

S-Quin: Fährt man in einer festen Gruppe oder kann man beliebig lange an den Konzert-Stationen verweilen?
Rathmann: Es gibt keinen Gruppenzwang. Wer frühmorgens losfährt, hat mehr Möglichkeiten, die Haltepunkte über den Tag zu verteilen. Wer später fährt, muss die 28-Kilometer-Tour schon etwas sportlicher angehen. Über den Tag verteilt durchmischt sich so das Publikum. Man kann natürlich auch Konzerte auslassen. Jede der beiden Touren endet in einer Abschlussveranstaltung – bei der Rhein-Tour am 11. September um 18 Uhr in der Dormagener Christuskirche mit dem Calmus-Ensemble aus Leipzig, einer der erfolgreichsten A-Cappella-Gruppen Deutschlands. Das singt Songs in traditionellen und zeitgenössischen Arrangements von Friedrich Silcher bis Freddie Mercury.

2021 machte Movimento vor Schloss Benrath Station. Foto: Kay-Uwe Fischer

S-Quin: Und wie ist der Abschluss bei der zweiten Tour?
Rathmann: Bei der Erft-Tour am 25. September, das finde ich auch sehr schön, gibt es Abschlussprogramm mit Musikern der Deutschen Kammerakademie Neuss am Rhein zusammen mit ukrainischen Musikern – das ist auch eine Kooperation mit dem Kulturamt der Stadt. Dieses Konzert ist ein Statement für den Frieden mit Musik als verbindendem Element.

S-Quin: Was macht man, wenn man während der Tour Hunger bekommt?
Rathmann: Auch dafür haben wir vorgesorgt. Wir werden dort mit Food-Trucks und verschiedenen örtlichen Vereinen vor Ort kooperieren. Es gibt auch eine App, dort kann man unter anderem die Streckenführung finden. Der Verlauf ist aber auch ausgeschildert. Es steckt viel Detailarbeit in Movimento, bis hin zu den Fahrradparkplätzen, die von unseren Helferinnen und Helfern bewacht werden.

Movimento-Rour Nummer 2

S-Quin: Was machen Sie denn bei Regen?
Rathmann: An allen Spielorten, die nicht in einem Gebäude sind, gibt es eine Schlechtwetterlösung. Aber für die Fahrradstrecken muss man sich selbst wappnen. Wobei meine Erfahrung ist, dass die Radler, die mitmachen, gut mit Regencapes und Co. ausgerüstet sind. Da mache ich mir keine Sorgen.

S-Quin: Die Distanzen zwischen den Stationen sind ja auch nicht so groß…
Rathmann: Genau, die größte Entfernung zwischen zwei Stationen sind fünf Kilometer.

S-Quin: Letztes Jahr gab es wegen Corona Teilnehmerbeschränkungen. Wie ist es dieses Jahr?
Rathmann: Das ist diesmal hoffentlich besser. Wir sind guter Dinge und planen für beide Touren mit je 300 bis 350 Mitfahrenden. Eine gewisse Beschränkung wird es also geben, weil wir uns nach den Kapazitäten der Spielstätten richten müssen. Außerdem behält das Event dadurch auch noch eine gewisse Exklusivität, wir wollen ja keine Fahrradlawine verursachen. [lacht]

S-Quin: Wie viele Tickets gab es letztes Jahr bei der Movimento-Premiere?
Rathmann: 100 Karten – und die waren binnen weniger Stunden ausverkauft. Wenn ich sehe, wie viele Leute sich in diesem Jahr für unseren Info-Newsletter angemeldet haben, gehe ich davon aus, dass die Tickets auch dieses Jahr wieder sehr begehrt sein werden. Vorverkaufsstart ist am 1. August.

Bei Movimento kann man gemütlich Konzerten lauschen, bevor es wieder aufs Rad geht. Foto: Kay-Uwe Fischer

S-Quin: Das klingt alles hervorragend – wird das übrige Festival auf Dauer eine Ergänzung zu Movimento?
Rathmann [lacht]: Nein, das nicht. Aber das schöne an Movimento ist, dass es zusätzliche Aufmerksamkeit erregt und auch touristisch sehr attraktiv ist. Wir haben definitiv den Nerv der Zeit getroffen und erreichen ein neues Publikum. Denn neben alter Musik gibt es auch Jazz oder Klanginstallationen, und mal Führungen zwischendurch.

S-Quin: Das klingt ja interessant.
Rathmann: Wir haben auf Schloss Reuschenberg zum Beispiel einen Theremin-Spieler. Theremin ist ein etwa 1920 erfundenes elektro-akustisches Musikinstrument, das ohne Berührung gespielt wird und sphärische Musik erzeugt. Über diese künstlerische Vielfalt möchten wir einerseits für die Kulturregion sensibilisieren, aber auch auf unser Kernrepertoire, die alte Musik, hinweisen. Dadurch entstehen auch Synergien. Im Mittelpunkt wird aber unsere Festivalwoche bleiben.

S-Quin: Wie viel Prozent alte Musik ist denn bei Movimento dabei?
Rathmann: Das ist eine sehr schwierige Frage, denn bei der Definition von alter Musik scheiden sich die Geister. Ich würde mal sagen: 40 bis 50 Prozent alte Musik von Komponisten aus dem Barock und der Renaissance oder sogar noch früher, die auch von entsprechenden Ensembles gespielt wird.

Music mal anders: Das Ensemble Recyklang tritt auf Tour 1 am Dormagener Strabeach auf. Foto: PR

S-Quin: Man sieht sehr deutlich, dass Sie mit Movimento und der Serenata neue Orte und Zielgruppen erschließen wollen.
Rathmann: Genau. Wir wollen definitiv unsere Reichweite vergrößern. Aufgrund der Coronakrise, die wir im Kulturbereich gemeinsam durchstanden haben, ist man heute viel offener für Kooperationen. Dadurch gibt es sehr spannende Synergieeffekte. Jeder fügt seinen Teil hinzu, sodass wir gemeinsam Dinge realisieren können, die vorher nicht möglich waren.

S-Quin: Letzte Frage: Coronabeschränkungen gibt es nicht mehr. Planen Sie trotzdem vorsichtig?
Rathmann: Wir haben ein mögliches Aufflammen der Coronapandemie natürlich im Hinterkopf. Dinge wie Maskenpflicht lassen sich schnell kommunizieren. Wir haben uns aber auch mit dem 1. August bewusst zu einem späteren Vorverkaufsstart entschlossen, damit wir auf etwaige Entwicklungen reagieren können.

Lesen Sie auch den Artikel: „Knechtsteden-Festival kommt ins Globe“ in S-Quin.

 

Das Festival auf einen Blick:

  • August: Serenata „Il giardino d’amore“ von Alessandro Scarlatti im Neusser Globe.
  • 11. und 25. September: Movimento-Radtouren an der Erft und am Rhein.
  • bis 24. September: Kernfestival mit neun Konzerten. Orte: Klosterbasilika, Bullenstall und Theaterscheune Knechtsteden sowie das Kreismuseum Zons.

Kartenvorverkauf ab dem 1. August 2022. Infos: www.knechtsteden.com und www.movimento-fahrradkonzert.de.

 

S-Quin Gewinnspiel: Tickets für Movimento

S-Quin verlost je 2 × 2 Freikarten für die Movimento-Radtour an der Erft am 25. September. Das Gewinnspiel finden Sie hier im S-Quin Portal. Teilnahmeschluss: 10.08.2022.

Mitmachen kann jeder über 18 Jahren, ausgenommen Mitarbeiter der Sparkassen-Finanzgruppe. Veranstalter des Gewinnspiels ist die S-Markt & Mehrwert GmbH & Co. KG, Grenzstraße 21, 06112 Halle (Saale), die auch die Gewinner informiert. Jeder kann nur einmal am Gewinnspiel teilnehmen. Unter allen Teilnehmern werden die genannten Preise verlost. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Der Gewinn kann nicht in bar ausgezahlt werden und ist nicht übertragbar. Die personenbezogenen Daten werden nur zur Durchführung des Gewinnspiels verwendet und nicht gespeichert.

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