Ist die Zeit schon reif für das eigene Elektroauto? Gerade die Kostenanalyse bereitet vielen Interessenten Kopfzerbrechen. Tatsächlich sind vor der Anschaffung eine Reihe von Faktoren zu berücksichtigen.
Text: Wolfgang Hörner
Elektroautos sind in. Überall hört man von ihnen, obwohl sie selbst ganz leise sind. Gerade das ist einer der Aspekte, der die Elektromobilität so faszinierend macht. Bis auf ein leises Surren fährt man geräuschlos – zumindest so lange, bis bei steigender Tachonadel Abroll- und Windgeräusche auftreten. Doch es ist auch die Spritzigkeit, die verblüfft. Selbst wer auf sportliche Fahrweise keinen Wert legt, ist beeindruckt, mit welcher Dynamik ein E-Auto losspurtet. Einfädeln in den Verkehr oder zügiges Abbiegen sind plötzlich kein Problem mehr, zumal auch nicht mehr geschaltet werden muss.
Und noch ein Punkt begeistert natürlich: der Umweltaspekt. Denn sicher ist, dass lokal emissionsfreies Autofahren für saubere Luft in den Städten sorgt. Wird dann auch noch der Strom aus einer Photovoltaikanlage entnommen, wird es noch sauberer.
Gleichwohl streiten Experten und Wissenschaftler bis heute darüber, ob oder um wie viel die Ökobilanz eines E-Autos besser ausfällt als die eines Verbrenners. Die geringere Emission von Treibhausgasen ist schließlich nur ein Teilaspekt der Gesamtbilanz. Einen Dämpfer erhalten Interessierte spätestens dann, wenn sie die Preislisten von Elektrofahrzeugen aufschlagen.
Problem der Vergleichbarkeit
Die Anschaffungskosten liegen teilweise drastisch über denen entsprechender Verbrennermodelle. Der Fiat 500 ist hierfür ein besonders krasses Beispiel: Rund 17.000 Euro kostet er im günstigsten Fall als Benziner, über 10.000 Euro mehr sind es in der E-Ausführung. Selbst wenn die Preisdifferenz nicht immer so groß ausfällt – sie ist groß genug, um Zweifel an der Wirtschaftlichkeit der Elektroautos zu wecken.
Kann sich dieser Mehrpreis überhaupt amortisieren? Und wie verhält es sich mit der Zwischenlösung, den Plug-in-Hybriden? Sie haben elektrische Reichweiten von gut 60 Kilometern und sind mit einem Verbrennungsmotor kombiniert. Wer vor der Wahl eines neuen Fahrzeugs steht, muss deshalb genau Modelle und Antriebe vergleichen.
Das beginnt beim Anschaffungspreis. Hier heißt es aufpassen, dass man nicht Äpfel mit Birnen vergleicht. Denn nur in den seltensten Fällen gibt es ein konkretes Fahrzeug mit verschiedenen Antriebsarten. Der VW ID3 gilt zwar als „Elektro-Golf“, aber er ist kein Golf. Darum sind Abmessungen, Raumangebot und Ausstattung anders. Der Preis eines VW Golf kann daher nur als ungefährer Rahmen dienen. Nur selten, etwa beim neuen BMW X1 oder dem Hyundai Kona, können Kunden zwischen Benzin, Diesel, Plug-in-Hybrid und vollelektrischer Variante wählen. Das schafft maximale Kostentransparenz. Wichtig beim Preisvergleich ist auch, auf ein ähnliches Leistungs- und Ausstattungsniveau zu achten. So haben zum Beispiel Elektroautos oft ein Navigationssystem serienmäßig, um leichter Ladestationen zu finden.
Förderung bringt E-Autos voran
Der wichtigste Faktor ist gegenwärtig noch die sogenannte Umweltprämie. Bis zu 9000 Euro schossen Staat und Hersteller bei E-Autos bis zu einem Preis von 40.000 Euro bislang zu. Bei bis zu 65.000 Euro Kaufpreis sind es immerhin noch 7500 Euro. Plug-in-Hybride werden aktuell mit bis zu 6750 Euro gefördert. Diese Summen können vom Listenpreis gedanklich abgezogen werden – leider mit zwei Haken: Zum einen endet die bisherige staatliche Förderung im Dezember 2022 und wird 2023 auf 4500 Euro fallen – plus einem Herstelleranteil, der bislang nicht definiert ist. Zum anderen knausern Autohersteller mit Preisnachlässen, während diese bei Dieselfahrzeugen oder Benzinern durchaus üppige Prozentwerte erreichen können.
Bei den laufenden Kosten profitieren Elektrofahrzeuge in jedem Fall von einer Befreiung von der Kfz-Steuer mindestens bis Ende des Jahrzehnts. Wenn es sich um einen Firmenwagen mit privater Nutzungsüberlassung handelt, gibt es noch ein weiteres Argument: Der zu versteuernde geldwerte Vorteil, der üblicherweise mit der sogenannten Einprozentregel ermittelt wird, ist bei E-Fahrzeugen unter 60.000 Euro auf 0,25 Prozent reduziert; bei teureren Modellen sowie Plug-in-Hybrid-Fahrzeugen immerhin auf 0,5 Prozent. Diese Ersparnis ist deutlich spürbar.
Eine der wichtigsten Fragen: Wie weit kommt man pro Euro? Bei einem Verbrenner hat man dafür Erfahrungswerte. Liegt der Durchschnittsverbrauch bei acht Litern auf 100 Kilometern, heißt das, dass man pro Liter 12,5 Kilometer weit kommt. Veranschlagt man einen Literpreis von 2 Euro, fährt man pro Euro etwa 6,25 Kilometer weit.
Der durchschnittliche Verbrauch aller gegenwärtig erhältlichen E-Autos liegt bei 17 Kilowattstunden pro 100 Kilometer. Umgerechnet bedeutet das, dass man pro Kilowattstunde 5,9 Kilometer weit kommt. Je nach Stromanbieter zahlt man privat etwa 30 Cent pro Kilowattstunde einschließlich Nebenkosten. Das heißt, dass man pro Euro fast 20 Kilometer weit kommt. Teurer wird es, wenn man an öffentlichen Stationen lädt. Dann sind durchaus 60 Cent oder mehr pro Kilowattstunde fällig – was bedeutet, pro Euro rund 9,5 Kilometer zu schaffen.
Laufleistung ist beim Elektroauto ein wichtiger Aspekt
Natürlich sind diese Werte nur Anhaltspunkte, die jeder, der ein Auto kauft, selbst für sich nachrechnen kann. Obiges Beispiel weitergedacht bedeutet für eine jährliche Fahrleistung von 15.000 Kilometern Kraftstoffkosten von etwa 2400 Euro. Demgegenüber stehen Stromkosten von 750 Euro bei privatem Laden zu Hause. Nutzt man nur öffentliche Stationen, sind es 1500 Euro.
In der Praxis wird es eher ein Mittelwert sein, sodass die Antriebskosten pro Jahr um rund 1200 bis 1400 Euro günstiger als beim Verbrenner ausfallen. Über fünf Jahre kann sich das auf einen Vorteil von etwa 7000 Euro summieren. Geht man von einer typischen Bruttopreisdifferenz zwischen E-Auto und Verbrenner von 10.000 Euro aus und kann man von einer staatlichen Förderung profitieren, ist das E-Modell die günstigere Wahl.
Wichtig ist aber das Nutzungsprofil. Wer im Jahr nur 5000 Kilometer fährt, wird kaum den Mehrpreis eines E-Autos kompensieren. Und starke Vielfahrer, die es auf 30.000 Kilometer im Jahr bringen, müssen ein anderes Problem bedenken: Für sie spielt Zeit eine Rolle. Nachladen alle 300 Kilometer – selbst an Schnellladesäulen – wird zur Bremse. Da hilft es wenig, dass viele Autos in weniger als 30 Minuten von 20 auf 80 Prozent geladen werden können. Was bei einer privaten Urlaubsfahrt eher eine willkommene Abwechslung ist, ist für einen Handelsvertreter ein Manko.
Viele Elektro-Umsteiger machen sich anfangs Sorgen über die Lademöglichkeiten – zu Unrecht, denn in der Praxis zeigen Apps und Navigationsgeräte Stationen und deren Auslastung zuverlässig an. Auch die Reichweiten sind dank neuer Batterien deutlich gestiegen. Fahrzeuge der Kompakt- und Mittelklasse schaffen aktuell gemäß Standardnorm zudem über 400 Kilometer. Selbst wenn es in der Praxis nur 300 sein sollten: Das reicht meistens.
Fest steht jedenfalls, dass man vor E-Mobilität keine Angst haben muss, aber leider auch, dass ihre Bilanz ohne Förderung deutlich schlechter ausfällt. Für die Plug-in-Hybride gibt es ab kommendem Jahr gar keine Förderung mehr.
Strom aus der Box
Wo lädt man ein E-Auto? Die eigene Steckdose ist zwar eine einfache, aber nicht die einzige Option – schon gar nicht in Ballungsräumen.
Während Plug-in-Hybrid-Modelle, die rund 60 Kilometer rein elektrisch fahren können, problemlos über Nacht an der Haushaltssteckdose geladen werden können, sieht das bei vollelektrischen Fahrzeugen anders aus. Hier sind leistungsstarke Ladestationen, oft auch als Wallboxen bezeichnet, nötig. Private Installationen laden üblicherweise mit elf Kilowatt, das ist die dreifache Leistung einer Standardsteckdose. Wallboxen kosten in der Anschaffung zwischen 500 und 1500 Euro zuzüglich Anschluss – und der kann je nach Immobilie kostspielig sein. Die bislang angebotene KfW-Förderung ist 2022 für Privathaushalte ausgelaufen.
Energieanbieter wie Ionity oder EnBW haben nicht nur entlang der Autobahnen ein Netz an Hochleistungsladesäulen mit bis zu 300 Kilowatt Leistung aufgebaut, sondern auch in Städten. Sinnvoll ist, sich bei mindestens einer Firma zu registrieren, um gegen Chipkarte und Monatsrechnung unterwegs zu laden. Angemeldete Benutzer erhalten einen Preisnachlass und können für rund 50 Cent pro Kilowattstunde laden. Das klappt in der Praxis so gut, auch dank detaillierter Infos über entsprechende Apps, dass manche Haushalte auf eine eigene Lademöglichkeit verzichten.
„Reichweite und Laden sind die Hauptfragen“
ADAC-Sprecherin Katja Legner rät, die Entscheidung übers Auto genau abzuwägen.
S-Quin: Würden Sie heute einem Käufer pauschal zu einem Elektrofahrzeug raten?
Legner: Nein, pauschal nicht. Klar ist, dass mit dem Verbrenner-Aus, das das Europaparlament beschlossen hat, Benzin- und Diesel-Pkw mittelfristig keine Zukunft mehr haben. Ein Elektrofahrzeug erscheint deshalb als die bessere Wahl. Aber es kommt auch immer auf die individuellen Anforderungen an, zum Beispiel Kosten, Umweltbewusstsein, Lademöglichkeiten.
S-Quin: Welche Faktoren sollte ein Interessent für ein Elektrofahrzeug besonders genau prüfen?
Legner: Die beiden Hauptfragen sind Reichweite und Lademöglichkeiten. Wird das E-Fahrzeug hauptsächlich zum Pendeln benötigt, richtet sich die Reichweite vorwiegend danach. Soll es dagegen auch öfter für längere Strecken eingesetzt werden, sind eine größere Reichweite und gute Schnellladetechnik entscheidend. Kann man am Arbeitsplatz laden oder auch zu Hause? Kann man sich eine private Wallbox installieren lassen oder muss man sich mit anderen in seiner Eigentümergemeinschaft absprechen? Was kann oder will ich mir leisten, was sind die Fördermöglichkeiten? Vielleicht kommt auch ein gebrauchtes E-Auto infrage. Dann sollte man den Akku vorab auf Leistungsfähigkeit checken lassen, zum Beispiel beim ADAC.
S-Quin: Muss jemand, der heute einen Verbrenner kauft, befürchten, Technik von gestern zu haben?
Legner: Nein, wenngleich klar ist, dass die Hersteller den Fokus auf die Weiterentwicklung ihrer E-Fahrzeuge legen. Aber es werden noch relativ lange Verbrenner auf unseren Straßen unterwegs sein. Der ADAC setzt sich dafür ein, dass auch andere Kraftstoffarten wie E-Fuels und Biokraftstoffe in den Blick genommen werden.
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