Eine Uhr soll in erster Linie die Zeit anzeigen. Manche Exemplare haben aber eine weitere Funktion: Sie sind eine Wertanlage. Eine Investition in ein Sammlerstück erfordert allerdings gute Marktkenntnisse.
Text: Wolfgang Hörner
Zeit hat wohl jeder zu wenig. Doch auch wenn Zeit zu haben fast schon als Luxus empfunden wird, so scheint ihre Messung heute beliebig einfach. Ein Handy hat schließlich jeder. Es zeigt die Uhrzeit immer und überall an. Vorbei sind die Zeiten, als eine Armbanduhr ein Muss war und bei Jugendlichen als wertvolles Geschenk zum Schulabschluss oder anderen besonderen Anlässen ein Stück Erwachsenwerden bedeutete. Umso erstaunlicher mag es da für viele Menschen klingen, dass Armbanduhren inzwischen zu Objekten mit Rendite geworden sind. Manch Exemplar ist bereits kurz nach dem Neukauf mehr Geld wert, etliche ältere Modelle legen im Laufe der Zeit an Wert zu.
Ulrich Zeuner machte zum Beispiel vor einiger Zeit diese Erfahrung. Im Nachlass seines Vaters fand er eine Armbanduhr. Sie zeigte deutliche Gebrauchsspuren, denn der Zeitmesser war einst täglich benutzt worden. Doch weil die Uhr nicht zu Zeuners bevorzugten Erinnerungsstücken an den Vater zählte, entschloss er sich, sie einem Juwelier anzubieten, der auch Gebrauchtuhren aufkauft.
Ohne allzu große Erwartungen brachte er die Uhr hin und war erst einmal überrascht, dass der Uhrmacher zur Bewertung ein paar Tage Zeit benötigte. Fast aus allen Wolken fiel er aber, als ihm schließlich 4000 Euro für die Uhr angeboten wurden. Sie stammt von der Marke Omega, die heute Kultstatus genießt und einem breiteren Publikum durch ihre Einsätze in den James-Bond-Filmen bekannt ist. Weil der Vater die Quittung für den Kauf einst ordentlich abgeheftet hatte, war auch der ursprüngliche Kaufpreis bekannt: 200 D-Mark.
Nur ein Bruchteil aller Uhren ist geeignet
Die wenigsten Speicherfunde werden allerdings zum Glückstreffer. Als Strategie taugt das Stöbern auf dem Dachboden schon gar nicht. Eindrucksvoll ist der Fall trotzdem, weil er zeigt, wie deutlich eine ehemalige Alltagsuhr im Wert steigen kann. Solche Funde beflügeln die Fantasie, weil sie zwangsläufig die Kernfragen ausklammern: Welche Uhren sollte man im Hinblick auf eine mögliche Wertsteigerung kaufen – und wo?
Ganz einfach ist dabei nur eines: Wer kein Faible für hochwertige Uhren hat und sich entsprechend schlecht auskennt, sollte besser die Finger davon lassen. Nur nach dem persönlichen Bauchgefühl zu entscheiden, ist verkehrt, wenngleich Uhrenexperte Peter Braun, Chefredakteur des Magazins „Armbanduhren“, empfiehlt: „Die Uhr sollte einem schon gefallen, denn sie sollte auch getragen werden, selbst wenn man auf eine Wertsteigerung hofft.“
Auf mechanische Uhrwerke achten
Ganz grundsätzlich eignen sich nur Modelle mit mechanischen Uhrwerken als Sammlerstücke. Mit dieser Vorgabe schrumpft der Markt neuer Uhren auf ein sehr übersichtliches Maß zusammen, seit in den 1970ern die batteriebetriebene Uhr ihren Siegeszug antrat. Diese sogenannten Digitaluhren sind, selbst wenn ihre Anzeige klassisch mittels Zeigern erfolgt, für Sammler uninteressant.
Außerdem, so schätzt Braun, seien von den verbleibenden neuen mechanischen Uhren lediglich etwa 20 Prozent grundsätzlich als Anlageobjekte geeignet, schließlich spielen der Markenname, die produzierten Stückzahlen und die Qualität eine zu große Rolle bei der Wertentwicklung. Erheblichen Einfluss haben überdies die verwendeten Materialien. Ein Gehäuse aus Edelmetall oder der bei Damen beliebte Besatz mit Diamanten sorgt allein schon über den Materialwert für Preiskonstanz mit Wachstumspotenzial, steigert aber auch den Einstiegspreis.
Rolex und Patek Philippe gelten als Bluechips
Unter Anlagegesichtspunkten extrem risikoreich sind überdies Uhren, deren Gestaltung dem Zeitgeist folgt. So waren zum Beispiel lange Zeit die mechanischen Uhren aus den 1970er-Jahren mit ihren großen Zifferblättern ziemliche Ladenhüter bei den Antiquitätenhändlern, selbst wenn sie von Top-Marken stammten – bis große Uhren plötzlich in Mode kamen. Auch das derzeit immer noch sehr populäre Roségold birgt das Risiko, in ein paar Jahren aus der Mode gekommen und damit nicht mehr nachgefragt zu sein. Wer auf Nummer sicher gehen will, bleibt also bei klassischen Designs und Materialien.
Etwas Beschäftigung mit dem Markt der Luxusuhren macht klar, dass hier oft mehrere Tausend Euro zu zahlen sind und dass zwei Markennamen als Referenzen für eine mögliche Wertsteigerung dienen: Rolex und Patek Philippe. Die letztgenannte Uhrenmanufaktur aus der Schweiz spielt in einer Liga, die im Vergleich Rolex fast günstig wirken lässt. Ihre Preise starten bei fast 20.000 Euro und reichen bis weit ins Sechsstellige hinein. Für alte Modelle mit ewigem Kalender wird auf Auktionen eine halbe Million Euro und mehr gezahlt.
Diese Exklusivität besitzt Rolex nicht, dafür aber einen Markennimbus, der vielen Menschen ein Begriff ist und folglich auch für einen größeren Markt sorgt. Das macht die Nachfrage konstant hoch. Dazu kommt, dass Rolex bereits seit vielen Jahren nicht mehr mit der Produktion der Uhren zu Preisen ab rund 8000 Euro hinterherkommt. Das hat lange Lieferzeiten oder Aufschläge für neue Uhren zur Folge – alles zusammen Faktoren, die den Wertzuwachs begünstigen, auch wenn Braun warnt: „Der Wertzuwachs ist nie garantiert, gerade bei Standardmodellen.“ Was dagegen fast immer positiv auf die Preisentwicklung wirkt, sind limitierte Auflagen – je geringer die Stückzahl, desto besser.
Alte Uhren mit mehr Risiko, aber auch mit Potenzial
Wer nicht gleich ganz so viel Geld in eine Uhr investieren will, trotzdem aber auf einen Preisanstieg hofft, kann sich bei anderen Marken umschauen. Die Schweizer Traditionshersteller Longines und Omega gelten als unterbewertet, auch die deutsche Manufaktur Nomos. Hier sind ebenfalls jene Modelle interessant, die in limitierten Stückzahlen entstehen. Mit Preisen ab rund 1500 Euro (Omega ab 4000 Euro) sind sie günstiger als Rolex.
Klar ist aber, dass die Nachfrage nach diesen Marken geringer ist und die Preisschwankungen entsprechend größer sind. Reduzieren lässt sich dieses Risiko durch Baureihen, die seit Langem produziert werden, beispielsweise Omega Seamaster oder Omega Speedmaster. Das bürgt für eine gewisse Marktrelevanz.
Knackpunkt Echtheit
Während beim Kauf einer neuen Armbanduhr beim autorisierten Händler kaum Zweifel an der Authentizität bestehen, ist das bei gebrauchten Uhren anders. Dabei geht es nicht nur um Echtheit, sondern auch um die Originalität – beides absolute Voraussetzungen für eine Wertsteigerung. Selbst vermeintliche Uhrenkenner können ohne Experten nicht immer zweifelsfrei bestimmen, ob eine Uhr echt ist oder ob sie bei ihrer Auslieferung tatsächlich so aussah. Andererseits versprechen gerade alte, oft vergleichsweise günstig zu habende Uhren eine höhere Rendite. Von blinden Internetkäufen ist trotzdem abzuraten, gerade wenn mehr Geld im Spiel ist.
Einschlägige Antikuhrenhändler mit Ladengeschäft bieten zwar mehr Sicherheit, kennen im Allgemeinen aber den realen Marktwert ganz genau – günstig einkaufen geht anders. Interessanter sind daher eher Antiquitätenhändler, denen bisweilen die Expertise für die richtige Preislage von Uhren fehlt. Ein gewisses Schnäppchenpotenzial bieten zudem auch Taschenuhren. Sie sind meist sehr alt, mechanisch betrieben und oft günstig zu haben. Stammen sie dann noch von einem heute bekannten Hersteller, schlägt ihre Stunde.
Wie die Preise der Uhren steigen
Garantien zur Wertsteigerung gibt es nicht – wohl aber einige signifikante Einflussfaktoren.
Immer wieder geistern Rekordzahlen durch die Medien: 2017 wurde eine Rolex von Paul Newman für 17,8 Millionen US-Dollar versteigert, 2019 eine Patek Philippe für 31 Millionen US-Dollar. Von solchen Erlösen kann man als Sammler nur träumen. Fest steht aber, dass sich das allgemeine Preisniveau für neue Luxusuhren seit knapp 15 Jahren deutlich gesteigert hat – auch abseits von Rolex und Co. Gegenwärtig ist kein Ende dieses Trends abzusehen. So klettern Jahr für Jahr die Neupreise deutlich.
Checkliste: Das sollten Sie wissen
Soll die Uhr nicht nur gefallen, sondern auch an Wert zulegen, sind einige Regeln zu beachten.
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Spontankäufe vermeiden, stattdessen erst sorgfältig die Marktlage der Wunschuhr prüfen. Dabei helfen Internetforen, Fachmedien und Auktionsergebnisse. Wer in erster Linie auf eine Wertsteigerung aus ist, der sollte sich umfassend über den Uhrenmarkt informieren und von einem Experten beraten lassen. Große Markennamen allein sind noch keine Garantie.
- Nicht alles, was alt ist, ist wertvoll: Viele Uhrenmarken von einst gibt es inzwischen nicht mehr. Meist schmälert das die Chancen, heute einen guten Preis für sie zu erzielen. Wichtig ist eine authentische, durchgängige Markenhistorie.
- Beim Kauf lässt sich am leichtesten sparen. Daher unbedingt über den Preis verhandeln, erst recht bei neuen Uhren. Nur bei Rolex klappt das nicht.
- Uhren aus Edelmetall sind zwar teurer, besitzen aber von Haus aus mehr Wertstabilität.
- Eine Uhr darf getragen werden, zumindest zu besonderen Anlässen. Sie sollte regelmäßig gereinigt und ein eventuelles Originalarmband aus Leder gegen einen günstigen Ersatz getauscht werden.
- Unbedingt alle Dokumente – Belege für Kauf und Wartung sowie Echtheitszertifikat – aufheben. Bei neuen Uhren auch die Verpackung.
- Eine Uhr muss funktionieren, auch wenn sie alt ist. Eine gewisse Ungenauigkeit über mehrere Tage ist dabei tolerierbar. Bei einem eventuellen Schaden muss ein Fachmann ran, um den Wert zu erhalten.
Titelfoto: Rolex