Zu wenig Personal, schlechte Verpflegung, hohe Kosten: Die deutschen Altenpflegeheime stehen in einem schlechten Ruf. Doch in vielen Fällen sind sie der einzige Ort, der für die Versorgung eines betagten Menschen infrage kommt. Worauf man bei der Auswahl achten sollte.
Text: Daniela Eckstein
Die Gruselgeschichten über deutsche Pflegeheime nehmen kein Ende. Im Herbst 2021 erst stellten Prüfer in einer Einrichtung im mecklenburgischen Schwerin skandalöse Zustände fest. Im oberbayerischen Schliersee musste eine Seniorenresidenz sogar geschlossen werden, nachdem Patienten dort wohl über mehrere Jahre vernachlässigt und bei einer unangekündigten Prüfung während der Coronapandemie unterernährt und verwahrlost aufgefunden worden waren. Und das sei, hieß es in der Presse, nicht der einzige Fall in Bayern.
Verhältnisse wie in den zwei genannten Fällen, mit großer Gefahr für Gesundheit und Leben, stellten allerdings die Ausnahme dar, sagt Markus Sutorius. Der Rechtsanwalt berät beim Biva-Pflegeschutzbund Betroffene zu ihren Rechten. Zwar waren es Heime privater Träger, die seien aber nicht grundsätzlich schlechter als die von Kommunen oder gemeinnützigen Unternehmen.
Laut dem Verband der Ersatzkassen (VDEK) werden rund 40 Prozent der Pflegeheimplätze in Deutschland privat angeboten, die Mehrzahl aber von sozialen und kirchlichen Organisationen wie Arbeiterwohlfahrt, Caritas oder Diakonie. Die Biva erhält Beschwerden über Seniorenheime verschiedenster Anbieter, zum Beispiel darüber, dass Bewohner mit Psychopharmaka ruhiggestellt werden, weil die Pflegerinnen und Pfleger zu wenig Zeit haben. Kritisiert werden häufig auch mangelnde medizinische Kenntnisse des Personals, das regelmäßig unterbesetzt ist.
Das Personal ist teils nicht qualifiziert
Kein Wunder: Der viel zitierte Pflegenotstand ist vor allem ein Mangel an qualifiziertem Personal. Zwar ist den Seniorenheimen gesetzlich vorgeschrieben, dass die Hälfte des Pflegepersonals aus Fachkräften mit dreijähriger Berufsausbildung zu bestehen hat. Ob das in der Praxis aber so umgesetzt wird und nicht Hilfskräfte mit kürzerer Ausbildung eingesetzt werden, lässt sich kaum überprüfen.
Die mangelnde Kontrolle ist denn auch einer der Hauptkritikpunkte des Pflegeschutzbunds Biva. Zuständig sind dafür der Medizinische Dienst (MD) der Pflegekassen und die Heimaufsicht, die Sache der Bundesländer ist. Zwar nutzt der MD ein bundeseinheitliches Bewertungsschema – die seit November 2019 geltende Qualitätsdarstellungsvereinbarung stationär (QDVS). Sie hat den vorherigen „Pflege-TÜV“ abgelöst, der häufig auch schlechten Heimen die Note 1 gab. „Die jährlichen Kontrollen wurden unter Corona ausgesetzt und ein Effekt durch die Reform ist noch nicht feststellbar“, so der Biva-Experte.
Wer Näheres über ein Pflegeheim erfahren möchte, kann bei der Heimaufsicht und dem MD nach Prüfberichten fragen. Eine Verpflichtung, sie zu veröffentlichen, gibt es allerdings nicht in allen Bundesländern. Informationen über Altenpflegeeinrichtungen findet man auch auf Internetplattformen wie pflegelotse.de und weiße-liste.de. Außerdem zeichnet die BAGSO, die Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen, vorbildliche Häuser aus.
Noch besser sei es, sich vor Ort umzusehen. „Schauen Sie im Speisesaal, ob die Bewohner und das Personal einen gepflegten Eindruck machen und wie mit den Patienten umgegangen wird. Oder sprechen Sie mit Mitarbeitern, Bewohnern und deren Angehörigen“, so Sutorius. Auch ein Kurzzeitpflegeaufenthalt ist ein guter Test. Die Zahl der Plätze ist allerdings begrenzt, und nicht jedes Haus bietet diese Möglichkeit.
Auf den Service achten
Neben der pflegerischen Betreuung geht es auch um die Ausstattung und den Service in den Häusern. Ein Wäschedienst etwa muss überall angeboten werden. Dagegen sind Einbettzimmer nur in Baden-Württemberg und Hessen die Regel, dicht gefolgt von NRW mit einer Quote von 80 Prozent. In anderen Ländern werden Bewohner oft noch zu zweit einquartiert oder müssen sich zumindest zu zweit ein Bad teilen.
Letztlich gilt: je besser die Ausstattung, desto höher der Preis. Denn Wohnen und Betreuung müssen die Bewohner selbst bezahlen (siehe Infokasten). Nur von den Pflegekosten übernehmen die Kassen einen Teil. Und so kommen ständig steigende Beträge zustande. Laut VDEK beträgt der Eigenanteil der Bewohner im Schnitt 2179 Euro pro Monat, ist dabei aber von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich und reicht von durchschnittlich 1588 Euro in Sachsen-Anhalt bis 2542 Euro in NRW.
Bei vielen genügt die Rente für den Eigenanteil nicht. Sie müssen die Lücke mit ihrem Ersparten schließen, dafür etwa Immobilien veräußern oder eine private Versicherung nutzen. Immerhin muss in Deutschland niemand aus Geldmangel aus dem Heim ausziehen. Zur Not hilft das Sozialamt. Es zieht Ehepartner, aber auch Nachkommen für einen Teil der Kosten heran. Kinder sind aber erst bei einem Jahreseinkommen ab 100.000 Euro zu Elternunterhalt verpflichtet, und die Behörden kommen nur dann auf sie zu, wenn es Hinweise auf so hohe Einkommen gibt.
Vor allem sei es wichtig, so Sutorius, früh mit der Suche anzufangen und sich auch mit juristischen Fragen auseinanderzusetzen (siehe Interview). Bei Heimen, die in die engere Wahl kommen, kann man sich bereits registrieren lassen. Wenn es im Notfall dann schnell gehen muss, hat man eher die Chance, einen Platz zu bekommen.
„Den Heimvertrag überprüfen lassen“
Rechtsanwalt Markus Sutorius berät beim Biva-Pflegeschutzbund Bewohner von Pflegeheimen und Angehörige in juristischen Fragen.
S-Quin: Herr Sutorius, worauf sollte man vor dem Einzug ins Pflegeheim achten?
Markus Sutorius: Im Vertrag sollten alle Leistungen genau beschrieben sein, zum Beispiel, ob es sich um ein Doppel- oder Einzelzimmer handelt oder die Zimmergröße – bis hin zur Zimmernummer. Die gesetzliche Grundlage und Details zu den Standardleistungen finden Sie im Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz beziehungsweise im Landesrahmenvertrag vollstationäre Pflege.
S-Quin: Welche Tücken können sich in den Heimverträgen befinden?
Sutorius: Am gravierendsten sind Leistungsausschlüsse. Es gibt etwa Heime, die keine künstliche Beatmung anbieten möchten. Oder solche, die Bewohner, die aufgrund einer Demenz Aggressionen zeigen, nicht betreuen wollen. Demenz aber tritt bei rund 30 Prozent der über 90-Jährigen auf. Tritt der Fall dann ein, muss der Betroffene theoretisch ausziehen. Und Achtung, wenn keine Pflegesachleistungen – das ist erst ab Pflegegrad 2 der Fall – in Anspruch genommen werden. Dann darf der Vertrag fürs Wohnen 14 Tage über den Tod des Bewohners hinaus gelten oder eine Kaution verlangt werden. Sinnvoll ist immer, den Heimvertrag vorher von einem Juristen prüfen zu lassen. Wir bieten diesen Service unseren Mitgliedern an.
S-Quin: Und wie sieht es aus, wenn man nach dem Einzug Mängel feststellt?
Sutorius: Sich gegen Missstände zu wehren, ist nicht einfach, denn der Patient ist ja auf die Betreuer angewiesen. Man kann sich zum Beispiel den Pflegeplan und die Pflegedokumentation zeigen lassen. Zudem gibt es einen Beirat, mit dem man sich besprechen kann oder in dem man als Bewohner oder Angehöriger aktiv werden darf.