Rentenlücke realistisch berechnen

Die wichtigste Größe bei der Altersvorsorgeplanung ist die eigene Rentenlücke. Beeinflusst wird sie von diversen Faktoren. Nur wenn man diese kennt, lässt sich ermitteln, wie viel man im Erwerbsleben zur Seite legen sollte.

Text: Melanie Rübartsch

Wer kennt das nicht? Eine stressige Woche liegt hinter einem. An dem einen oder anderen Arbeitstag hat man sich über Kollegen oder den Chef geärgert. In einem Projekt geht es nicht richtig voran. Es gibt diese Wochen. Und mit zunehmendem Alter mehren sich dann die Fantasien, wie es denn später sein wird, wenn man den ganzen Kram hinter sich gelassen hat und im Ruhestand ist. Aber langsam – die Zeit nach dem Erwerbsleben lässt sich nur dann richtig genießen, wenn sie finanziell abgesichert ist. Und schon wären wir bei der Rentenplanung.

Die hat es leider in sich, denn sie ist in gewisser Weise eine Rechnung mit vielen Unbekannten. Komplizierte Gesetze, Reformen und nicht zuletzt die wirtschaftliche Entwicklung machen es nicht gerade leicht, für einen Zeitraum, der vielleicht 30 oder gar 50 Jahre entfernt liegt, zu kalkulieren. Basis der Planung ist dennoch stets die eigene Rentenlücke. „Wer wissen möchte, was er für das Alter zurücklegen muss, muss naturgemäß erst einmal wissen, ob und was ihm später überhaupt an Finanzen fehlt“, erklärt der Münchner Rentenberater Johann Walter.

Die Formel für die Berechnung der Rentenlücke ist erst einmal einfach: Finanzbedarf im Alter minus Einnahmen aus bis dahin angesparter gesetzlicher, betrieblicher und privater Altersvorsorge sowie etwa Miet- oder Kapitaleinnahmen. Ergibt sich ein negativer Betrag, ist das die anzunehmende Versorgungslücke. Für Komplikationen bei der genauen Bestimmung ihrer Höhe sorgen allerdings ein paar zusätzliche Variablen. Inflation, Steuern, Renditeentwicklung, Renteneintritt oder Lebenserwartung gehören dazu, die man selbst zum Teil nicht beeinflussen kann. Aber der Reihe nach.

Geschafft: Wer gut rechnet und die Rentenlücke schließt, hat mehr vom Ruhestand. Foto: Shutterstock

Was brauche ich im Alter?

Einige Ausgaben fallen später weg, beispielsweise für Arbeitsweg, Businessoutfit, die eine oder andere Versicherung und – wenn es gut läuft – die Abzahlung des Eigenheims. Andere Kosten kommen hinzu, für Hobbys, Pflege oder Haushaltshilfe zum Beispiel. „Jeder muss seinen Bedarf möglichst individuell abschätzen“, sagt Walter. Eine gängige Faustformel lautet: 80 Prozent des letzten Nettoeinkommens braucht man im Ruhestand, Geringverdiener manchmal sogar mehr.

Helfen kann es, sich einen Überblick über die heutigen Ausgaben zu verschaffen, beispielsweise mit einem Haushaltsbuch. Klassische Haushaltsbücher, ein Online-Haushaltsbuch sowie eine passende App gibt es zum Beispiel bei Geld und Haushalt, dem Beratungsdienst der Sparkassen-Finanzgruppe, unter http://www.geldundhaushalt.de/haushaltsbuch.

Welche Einkünfte habe ich im Alter?

Zentral ist hier die gesetzliche Rente. Einen ersten Anhaltspunkt über deren Höhe liefert die Renteninformation, die einem die Deutsche Rentenversicherung jedes Jahr schickt. Monatliche Zahlungen, zum Beispiel aus privaten Renten, Sparplänen oder Mieteinnahmen, kommen hinzu. Auch hier listen die Gesellschaften die erwartbaren Beträge Jahr für Jahr verlässlich auf.

„Den Finanzbedarf im Alter muss jeder individuell abschätzen“

Doch Vorsicht! „Sowohl der erwartete Finanzbedarf im Alter als auch die künftigen Einnahmen müssen einmal durch den Inflationsfilter, um realistisch rechnen zu können“, mahnt Rentenexperte Walter. So werden aus 2000 Euro, die jemand heute fürs Leben braucht, in 30 Jahren 3126 Euro, wenn man von der durchschnittlichen Inflationsrate der vergangenen zehn Jahre ausgeht (1,5 Prozent).

Oder anders gerechnet: Eine Rentenlücke von heute 260 Euro wächst durch die Geldentwertung binnen 30 Jahren auf 406 Euro an. Wie sich das auf die Sparrate auswirkt, zeigt folgendes Beispiel: Angenommen, ein heute 37-Jähriger möchte aus seinem bis zum Ruhestand angesparten Vermögen 18 Jahre lang monatlich 260 Euro entnehmen können, so müsste er in Zukunft 156 Euro monatlich zur Seite legen. Bei 406 Euro wären es schon 278 Euro.

An Steuern und andere Abzüge denken

Auch der Fiskus nagt an der Rente. In vielen Fällen schmälern Steuern sowie Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge das Altersruhegeld. Eine weitere staatlich bedingte Unbekannte ist das Rentenniveau, das seit Jahren sinkt. „Die Bruttorenten steigen zwar noch immer leicht an, aber nicht mehr in gleichem Maße wie das Durchschnittseinkommen“, erklärt Walter.

Bei der Ermittlung der Rentenlücke kommt die Variable „Lebenserwartung“ dann ins Spiel, wenn der Vorsorgesparer neben der gesetzlichen Rente auf Sparpapiere oder Fonds setzt. Das darüber angesparte Kapital ist schließlich irgendwann aufgebraucht. Anderes gilt für die gesetzlichen oder privaten Renten. Hier fließen die Erträge später in der Regel lebenslang.

Bei beiden Produktarten – Versicherungen und Sparplänen – beeinflusst hingegen die generelle wirtschaftliche Entwicklung die Rentenlücke. Wer höhere Renditen erwirtschaften kann, muss im Vorfeld niedrigere Beiträge zur Seite legen – und umgekehrt. Höhere Renditen sind aktuell aber in erster Linie über Aktien oder fondsbasierte Produkte zu erzielen. Dabei besteht zugleich ein höheres Anlagerisiko aufgrund des Auf und Ab an den Börsen. Allerdings lassen sich Kursschwankungen gerade bei langfristigen Zielen wie der Altersvorsorge oft über die Anspardauer ausgleichen. Das gilt erst recht, wenn der Sparer auf verschiedene Produkte setzt und darüber die Risiken gut streut.

Wann möchte ich in den Ruhestand?

Ist die Arbeitswoche wieder einmal so nervig gewesen, dass man lieber früher als später in den Ruhestand möchte, muss dieser Wunsch mit spitzem Bleistift durchgerechnet werden. Denn wer nicht bis 67 arbeiten möchte, muss Abschläge bei der Rente einkalkulieren. Jeder Monat, den man vor Erreichen seiner Regelaltersgrenze den Dienst quittiert, kostet 0,3 Prozent Abschlag von der Rente, die man bis zu diesem Zeitpunkt angesammelt hat.

Allerdings lassen sich diese Abschläge finanziell ausgleichen, sobald man 50 Jahre alt ist. „Wie hoch diese freiwilligen Beiträge sein müssten, lässt sich über einen Antrag auf Auskunft beim zuständigen Rentenversicherungsträger herausfinden“, erklärt Experte Walter. Die in der Regel recht stattlichen Ausgleichsbeträge können die Versicherten flexibel auf einen Schlag oder peu à peu bezahlen. Das kann Steuervorteile bringen.

Immer wieder anpassen

Wichtig: Einmal zu rechnen, reicht leider oft nicht aus. Spätestens, wenn sich an den Rentenlückenvariablen grundlegend etwas ändert, sollte man die eigene Ruhestandsplanung wieder einmal anschauen und anpassen. Generell gilt: Für die Altersvorsorge ist es nie zu spät. Selbst wer erst mit 50 Jahren anfängt, sich darüber Gedanken zu machen, hat immerhin noch bis zu 17 Jahre Zeit, ein Polster aufzubauen. Das gibt einem auf jeden Fall das gute Gefühl, wenn es wieder einmal diese seltsamen Arbeitswochen gibt: Für die verlockende Zeit nach der Tretmühle bin ich vorbereitet!

 

Digitale Helfer: Im Netz finden sich hilfreiche Tools

www.s.de/1e8n: Der „Rentenbeginn- und Rentenhöhenrechner“ der Deutschen Rentenversicherung ermittelt die gesetzlichen Renteneintrittszeiten und damit eventuell verbundene Rentenabschläge. Anschließend lässt sich die gesetzliche Rente bestimmen.

www.s.de/1e8o: Der Rentenrechner der Sparkassen berechnet die Differenz zwischen dem aktuellen Nettoeinkommen und der späteren Rente. Damit lässt sich die künftige finanzielle Situation genauer einschätzen und die weitere Vorsorge besser planen.

 

Rechnen mit Unbekannten

Es gibt mehrere Faktoren, die Einfluss auf die Rentenlücke haben.
  • Inflation: In der jährlichen Renteninformation ist die zu erwartende Rente aufgeschlüsselt. Auch Versicherungsgesellschaften schicken einmal im Jahr Updates zur Entwicklung des privaten Rentenkontos. Wie sich Fonds oder Sparpapiere entwickeln, zeigen die Depotübersichten. Diese Beträge müssen immer durch den Inflationsfilter. In 20, 30 oder 40 Jahren wird das avisierte Geld weniger wert sein.
  • Jobsituation: Natürlich beeinflusst das Einkommen die Höhe der späteren gesetzlichen Rente. Sinkt es, muss man über andere Vorsorgeinstrumente gegensteuern oder überlegen, ob man im Ruhestand mit weniger auskommen kann.
  • Rendite: Wer auf fondsbasierte Vorsorge setzt, ist von der Entwicklung der Börsen abhängig. Läuft es über die Jahre gut, kann die Sparrate zum Füllen der Rentenlücke kleiner ausfallen. Kommen mehrere magere Jahre, muss man eventuell nachsteuern.
  • Lebenserwartung: Diese Variable ist vor allem bei Sparpapieren oder Guthaben wichtig, die sich aufzehren. Wer einen längeren Lebensabend absichern möchte, muss mehr ansparen.

Titelfoto: Shutterstock

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