Edinburgh hat seit jeher die Fantasie angeregt. Nicht nur Harry-Potter-Fans spüren die Magie der Stadt an der Ostküste Schottlands.
Text: Dorothee Fauth
Durch die Gassen wispern Zaubersprüche, schweben mit Dudelsackklängen um sandsteingraue Häuser, aus denen sich so manche Geister nie haben vertreiben lassen. Der Glaube an das Übernatürliche gehört zur Seele Schottlands, und wenn diese in einer Stadt zu Hause ist, dann in Edinburgh.
Die schottische Hauptstadt hat ihren Ursprung auf einem Vulkankegel. Dort thront das wuchtige Edinburgh Castle und prägt seit dem Mittelalter die Skyline der Altstadt, die zum UnescoWeltkulturerbe gehört. Kurz vor 13 Uhr wimmelt es von Menschen auf den Burgmauern – wegen eines einzigen Kanonenschusses. Der wird Punkt ein Uhr aus der One O’Clock Gun abgefeuert und ist bis zum Hafen hinab zu hören.
Lunchtime oder Stadtbummel? Auf der Royal Mile, dem historischen Herzen der Stadt, lässt sich beides miteinander verbinden. Sie führt vom Castle, der einstigen Residenz Maria Stuarts, zum Holyrood-Palast der britischen Queen, die direkt auf das geradezu poetische Parlamentsgebäude ihrer widerspenstigen Untertanen blickt. Die fünf Straßen, aus denen die Royal Mile besteht, sind das Rückgrat der Altstadt. Hier steht die St.-Giles-Kathedrale. Museen wie die Illusionswelt Camera Obscura reihen sich an bunte Boutiquen und schrullige Pubs, wo rauchiger Whisky die Kehlen herunterrinnt und jeder Schluck nach der rauen Schönheit der Highlands im Norden Schottlands schmeckt.
Man braucht keinen Whisky, um in Edinburgh auf Abwege zu geraten. Hier geht es vielerorts in steile, schmale Gassen, die wie Fischgräten von der Royal Mile abzweigen. Faszinierend und etwas unheimlich sind diese Closes, denn die Häuser zu beiden Seiten sind oft so hoch, dass sie wie Schluchten wirken, die direkt in die Unterwelt führen. Mary King’s Close ist genau das: ein wirres Gassenlabyrinth, das einst überbaut wurde und somit in den Untergrund wanderte. Zwielichtige Gestalten teilten sich diesen gespenstischen Ort mit den Ärmsten der Stadt. Nun treffen Besucher dort auf ihre Geister.
Kein Wunder also, dass das verwinkelte Edinburgh seit jeher die Fantasie seiner Besucher und Bewohner anregt. Es hat berühmte Schriftsteller wie Arthur Conan Doyle und Robert Louis Stevenson inspiriert. Einen Versuch ist es wert, einen Platz im charmanten Elephant House zu ergattern, jenem Café, in dem J. K. Rowling ihren berühmten Zauberschüler zum Helden formte – mit Blick auf Edinburgh Castle und den schaurig-schönen Friedhof Greyfriars. Dort befindet sich ein Grabstein, der jeden Harry-Potter-Fan erschaudern lässt: Thomas Riddell steht darauf. Wer denkt da nicht an Tom Riddle, den Gegenspieler von Harry Potter?
Auch wer nicht mit Zauberlehrlingen aufgewachsen ist, spürt die magische Atmosphäre Edinburghs. Darauf reduzieren lässt sich die Stadt aber nicht. Beim Edinburgh Festival im Sommer und Hogmanay an Silvester beben die Straßen und Plätze vor Kreativität und fröhlicher Stimmung. Ein anderes Edinburgh finden Besucher am Hafen, wo die Royal Yacht Britannia festgemacht hat und ein Künstlerviertel entstanden ist. Hier wie am kilometerlangen, goldgelben Strand von Portobello Beach wispern keine Zaubersprüche, hier raunt einzig der Wind des Meeres.
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