Jeder kann zum Gärtner werden

Kleingärten werden immer beliebter – vielerorts gibt es lange Wartelisten. Wie man zu seinem eigenen kleinen grünen Paradies kommt und wie man es gestalten kann.

Text: Gunnar Erth

Gartenzwerge sucht man in Lübeck vergeblich. „Früher sind Reporter von Sendern wie RTL gekommen und haben als Erstes gefragt, wo die Gartenzwerge stehen“, sagt Hans-Dieter Schiller schmunzelnd. „Aber die müssen wir enttäuschen. Gartenzwerge gibt’s in den Kleingärten nicht mehr. Es hat sich viel geändert. Heute steht zum Beispiel naturnahes Gärtnern bei uns hoch im Kurs.“ Schiller muss es wissen, denn er ist nicht nur Vorsitzender des Kreisverbands der Lübecker Gartenfreunde, sondern steht auch dem Landesverband Schleswig-Holstein vor.

Kleingärten haben einen Imagewandel hinter sich. Es ist schick geworden, in der Freizeit zu gärtnern, denn bewusster zu leben, wird für viele immer wichtiger. Man will wissen, was man isst, am besten den Erzeuger kennen oder gleich sein eigenes Gemüse und Obst anbauen. In Kleingärten werden Bewegung und frische Luft kostenlos mitgepachtet. Und die Arbeit in der Natur wirkt sich positiv auf die Gesundheit aus.

Teilweise lange Wartezeiten

Rund eine Million Kleingartenpächter gibt es in Deutschland, darunter sind 45 Prozent junge Familien. Während man in dünn besiedelten Regionen der Republik rasch zur Parzelle kommt, explodieren in einigen Großstädten die Wartelisten. Zudem gibt es ein Nord-Süd-Gefälle: Im Rheinland, in Rheinland-Pfalz und Thüringen hat man teilweise nach sechs Monaten sein Stück Grün. In Großstädten in Bayern und Baden-Württemberg muss man sich oft mehrere Jahre gedulden. Wem das zu lange dauert, für den sind vielleicht Gemeinschaftsgärten eine Alternative (siehe unten: „Urbane Gärten“).

Wer in Lübeck wohnt, hat mehr Glück, dort stehen aktuell 800 Parzellen leer. 26 Kleingartenvereine mit 8270 Mitgliedern und 8896 Parzellen auf 388 Hektar Fläche gibt es in der Hansestadt. „Um Weihnachten und im Januar hatten wir sehr viele neue Anfragen“, berichtet Hans-Dieter Schiller.

Gerade für Familien mit Kindern ist die Welt der Kleingärten ein Paradies abseits von Alltag. Und ganz nebenbei kann man so seine eigenen gesunden Lebensmittel erzeugen.

Aktuell vermarktet sein Verband freie Parzellen im Umfeld eines neuen Wohnparks. Er erwartet, dass die Nachfrage aufgrund der hohen Inflation weiter wachsen wird. Eine Chance auf eine Parzelle haben aber nur Einwohner der Hansestadt. So will es der Generalpachtvertrag zwischen der Stadt Lübeck und dem Kreisverband der Gartenfreunde.

Die Standardparzelle ist 400 Quadratmeter groß, aber der Trend geht teilweise zu kleineren Parzellen. „In unseren Versammlungen raten wir dazu, größere Parzellen zu halbieren, damit sie für Singles und ältere Menschen besser geeignet sind“, sagt Schiller. Geplant sind auch spezielle Seniorengärten für Kleingärtner, die aufgrund ihres Alters ihre Parzelle abgeben müssen, aber die Gartenarbeit nicht aufgeben wollen.

Günstiges Vergnügen für alle

Um eine Parzelle zu mieten, muss man Mitglied eines Kleingartenvereins sein. Prinzipiell sind Kleingärten für jeden geeignet. „Für jedes Alter, jeden Familienstand, jedes Geschlecht. Den typischen Kleingärtner gibt es nicht. Die Welt, in der wir leben, ist bunt und vielfältig“, betont Schiller.

Und vor allem ist Kleingärtnern günstig. Je nachdem, ob in der Stadt oder eher ländlich gelegen, liegt die jährliche Pacht pro Quadratmeter zwischen 5 und 50 Cent. Lübeck liegt mit 25,4 Cent im Mittelfeld. Bei einem Kleingarten mit 400 Quadratmetern kommt man so auf 100 Euro Pacht im Jahr.

Ein Saatkalender kann helfen, den Ernteertrag im Kleingarten zu optimieren.

Hinzu kommen der Vereinsbeitrag sowie Nebenkosten, etwa für die Haftpflichtversicherung über den Verein, Müllabfuhr und Wasser. Schiller: „In jedem Kleingartenverein gibt es eine Gebührenordnung – da steht alles drin.“ Die laufenden Kosten überstiegen aber nur selten 300 Euro im Jahr. Teilweise ist noch eine Ablösesumme zu zahlen, wenn man eine Parzelle vom vorherigen Pächter übernimmt.

Ein Drittel für den Anbau

Kleingärtner müssen bei der Ausgestaltung die Vorschriften des Bundeskleingartengesetzes beachten. Mindestens ein Drittel der Fläche muss für den Selbstanbau gärtnerischer Erzeugnisse wie Obst und Gemüse genutzt werden. Die meisten Gärten haben zudem eine Laube. Die darf nicht größer als 24 Quadratmeter sein und keinen Anschluss für Strom, Gas und Wasser besitzen.

Wohnen ist in der Laube ebenfalls nicht gestattet, gelegentliches Übernachten aber schon. „In Lübeck sagt der Generalpachtvertrag, dass sich der Pächter in den Sommerferien im Kleingartengelände insgesamt höchstens drei Wochen ununterbrochen aufhalten darf“, erläutert Hans-Dieter Schiller. Zudem muss man sich an die Gartenordnung und Satzung des Vereins halten und in dessen soziales Gefüge einordnen.

Doch welche Pflanzen sind besonders geeignet, wenn man zumindest teilweise zum Selbstversorger werden will? Am besten ist es, klein zu beginnen und mit wenigen Obst- und Gemüsesorten anzufangen. Im Laufe der Jahre kann der Anbauplan dann immer mehr erweitert werden. Bei der Planung kann man die Expertise der Kleingartenvereine nutzen. „In jedem Verein gibt es einen oder mehrere Fachberater“, weiß Schiller. Mit ihnen kann man einen Termin ausmachen und gemeinsam den Kleingarten begehen.

Für viele ein Muss: die Laube. Ihre Größe ist ebenso geregelt wie die maximale Aufenthaltsdauer.

Die Fachberater geben dabei konkrete Tipps zur Gestaltung. Wer eine Parzelle pachten möchte, sollte aber im Vorfeld genau die Aufwände planen. Wie viel Zeit pro Woche hat man für die Gartenarbeit? Ist die Parzelle in der Nähe oder so weit weg, dass man die Anfahrt scheut? Wie viele Personen werden den Garten nutzen? Wie hoch ist das Budget?

Mit Bedacht durchs Gartenjahr

Gute Planung ist das ganze Gartenjahr hindurch notwendig. Von der Aussaat und Bepflanzung bis zur Ernte, dem Sammeln des Saatguts für das nächste Jahr sowie der Garten- und Baumpflege fällt fast immer Arbeit an. Ein Saatkalender hilft dabei, zu bestimmen, wann welche Sorten angebaut werden sollten. Ein Tipp ist die App Fryd, mit der man seinen Gemüsegarten von der Anzucht bis zur Ernte planen kann. Auf jeden Fall sollte man bedenken, dass nicht alle Gemüsesorten gut nebeneinander gedeihen. Ein paar Tipps:

  • Radieschen, Rucola oder Möhren können im Frühjahr ausgesät werden, auch Kartoffeln können vor den Eisheiligen gepflanzt werden.
  • Frostempfindliches Gemüse wie Erbsen und Bohnen erst anpflanzen, wenn der Boden dauerhaft frostfrei ist.
  • Obstbäume am besten im Herbst pflanzen und genug Platz einplanen.

In der Erntezeit stellt sich dann die Frage, was man mit den Erträgen anfängt. Was man nicht gleich verzehrt, kann man oft auch einfrieren oder wie im Fall von Obst zu Marmelade verarbeiten und einwecken.

Zahlreiche Kleingartenvereine richten auch Märkte aus oder sammeln Obst und lassen es entsaften. „Viele bringen zum Mosten ihre Kinder mit, die dann die Äpfel oder Birnen in die Maschinen werfen und sehen, wie der Saft herauskommt“, erzählt Schiller. „Das ist auch gut für die Gemeinschaft. Man sieht: In unseren Vereinen ist reges Leben!“

Urbane Gärten

Es geht auch ohne Schrebergarten. Ein Überblick über die Alternativen.

In vielen Großstädten entstehen immer mehr Garteninitiativen. Die Bandbreite reicht von Selbsterntegärten über Gemeinschaftsgärten bis zu Nachbarschaftsgärten. Besonders beliebt sind Mietgärten, komplett vorbereitete Parzellen mit Gartenwerkzeug, Gießwasser sowie Pflanz-, Pflege- und Ernteanleitungen. Wer mit anderen aktiv werden möchte, für den lohnt sich ein Blick auf die Website der Initiative Urbane Gemeinschaftsgärten: www.urbane-gaerten.de. Dort gibt es neben Tipps und Webinaren eine Karte mit aktuell 969 Gemeinschaftsgärten. Und wer will, kann auch auf dem eigenen Balkon gärtnern. Bereits mit ein paar Blumenkästen oder alten Kisten kann man seinem Nutzgarten daheim Pfiff verleihen. Selbst alte Senf- oder Gurkengläser eignen sich als Pflanzentopf für Tomaten, Paprika oder Gurken.

Fotos: Adobe Stock

Das vollständige Interview mit Hans-Dieter Schiller finden Sie hier:

„Gartenzwerge gibt’s nicht mehr“

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