Hey Chef, ich brauch mehr Geld

Die Kosten steigen – viele Haushalte haben aktuell Geldsorgen. Da liegt der Gedanke nahe, den Arbeitgeber um mehr Geld zu bitten. Wie Sie bei einer Gehaltsverhandlung vorgehen.

Text: Eva Neuthinger

Seit einigen Monaten schon schnallt Corinna F. den Gürtel ein wenig enger. Die pharmazeutische Assistentin verdient nicht schlecht, aber am Ende des Monats hat sie kaum noch Rücklagen. „Ich sitze abends jetzt öfter mit einer Wärmflasche und Wolldecke vor dem Fernseher, weil ich nicht heizen will“, berichtet sie. „Ich bin in Sorge, dass ich finanziell an meine Grenzen komme.“

Deshalb will sie ihren Arbeitgeber nach einer Gehaltserhöhung fragen. Zuletzt gewährte er ihr vor zwei Jahren mehr Einkommen. Auf den Termin bereitet sie sich gut vor, da sie sich auf schwierige Verhandlungen einstellt, denn zahlreichen Unternehmen geht es nicht besser als den Bürgern. Das ist ihr bewusst.

Viele Firmen sind kooperativ

Natürlich wissen die Betriebe, dass ihr Personal mehr Geld braucht. 62 Prozent der Firmen haben ihre Gehaltsbudgets 2022 aufgestockt, ergab eine Umfrage der Beratungsgesellschaft Willis Towers Watson (WTW) in Frankfurt am Main. 43 Prozent reagierten auf die Erwartungen der Mitarbeiter, 57 Prozent nahmen die Inflation zum Anlass.

Die deutschen Reallöhne ­lagen im 2. Quartal 2022 um 4,4 % unter dem Vorjahreswert

Allerdings erhöhen die Firmen den Lohn nicht im Gleichschritt mit den Preissteigerungen. Im Schnitt lag das Plus beim Gehalt mit unter 4 Prozent in der Vergangenheit deutlich unter der aktuellen Inflationsrate. „Größere Sprünge in den Personalkosten müssten Unternehmen mittelfristig auch auf ihre Produkte umlegen, was ihre Position im Wettbewerb schwächen könnte“, betont Florian Frank, Head of Work & Rewards bei WTW. Die Vergütungsbudgets richten sich nach der Gehaltsphilosophie, den Zielen, der Produktivität, Wirtschaftslage und langfristigen Kostenplanung eines Unternehmens.

„Erst eine langfristig hohe Inflation treibt die Vergütungsbudgets nachhaltig nach oben“, sagt Frank. Deshalb sollten Mitarbeitende, die mehr Einkommen wollen, ihre Argumente und ihre Verhandlungsstrategie gut durchdenken. Im ersten Schritt ist es wichtig, den besten Zeitpunkt zu finden. Das Jahresgespräch – traditionell um Neujahr oder zum Frühjahr – kann ein guter Termin sein. Natürlich bietet auch eine mögliche Beförderung immer einen Anlass. Gleiches gilt, falls sich das Aufgabengebiet ändert. Ist der passende Moment für die Gehaltsverhandlung avisiert, sollte man vorab einige Informationen sammeln.

Vergleichszahlen liefern Argumente

„Gehaltsspiegel können eine valide Quelle sein, um einen Vergleich zu haben und sich einen Überblick über die Verdienstmöglichkeiten zu verschaffen“, erklärt Patrick Pieles, Vice President Full Time Contract Talent bei der Personalberatung Robert Half. Hier erfahren Interessierte, wie viel in einzelnen Branchen und Regionen für eine bestimmte Tätigkeit gezahlt wird. Pieles warnt aber, die Daten überzubewerten, und erklärt: „Sie geben sicher einen Anhaltspunkt. Aber es kommt durchaus vor, dass Bewerbende mehr erhalten, als im Gehaltsband für die ausgeschriebene Tätigkeit sonst vorgesehen ist.“ Das kann der Fall sein, wenn eine Stelle schwer zu besetzen ist.

Wenn andere mehr verdienen, ist das nicht unbedingt ein Argument für einen Zuschlag. Langjährige Mitarbeitende müssen das hinnehmen. „Vielmehr sollte man seine eigenen Fähigkeiten und Leistungen reflektieren und sie dann auf den Tisch bringen“, so Pieles. Mitarbeitende, die zuletzt erfolgreich ein Projekt realisieren oder einen Großkunden gewinnen konnten, haben schon einen Trumpf in der Hand. Im Idealfall lassen sich solche Erfolge mit Zahlen belegen – etwa durch erzielte Kostenvorteile, durch mehr Umsatz oder durch eine deutlich effektivere Arbeitsleistung im Team.

Bescheidenheit ist bei der Gehaltsverhandlung keine Zier

Wichtig ist es, mit einer klaren Vorstellung ins Gespräch zu gehen. Bescheidenheit ist hier keine Zier. Im Zweifel sollten Arbeitnehmer bei der Gehaltsverhandlung etwas pokern. „Als grober Richtwert haben sich 10 Prozent des Bruttolohns etabliert“, kommentiert Pieles. Die Forderung darf begründet sogar noch weit höher liegen, um sich dann notfalls auf mehr Gehalt in zwei Tranchen zu einigen. Zum Beispiel auf eine erste Erhöhung um 8 Prozent, gefolgt nach einigen Monaten von weiteren 5 Prozent.

Wie sich der Verhandlungspoker am Ende gestaltet, hängt von der Strategie der Firma ab. „In Unternehmen mit nahezu konservativ-behördlichen Strukturen kann es schwierig sein, sich durchzusetzen. Firmen mit einer sehr mitarbeiterzentrierten Struktur zeigen sich bei Gehaltsverhandlungen traditionell flexibler“, erklärt Experte Pieles.

Stellt sich die Chefin oder der Chef stur, bleibt den Beschäftigten eine weitere Option: Sie können Benefits in die Verhandlung einbringen. „Denken Sie an Gesundheitsleistungen, Dienstwagen oder Zuschüsse zu Freizeitaktivitäten bis hin zur Kinderbetreuung“, meint Pieles. Die Bandbreite sei inzwischen sehr groß. „Unternehmen sind bereit, Zugeständnisse zu machen“, sagt der Experte. Da solche Leistungen oft abgabenfrei bleiben, kann am Ende auch damit ein deutliches monatliches Plus herauskommen.

Den richtigen Ton treffen

Welcher Cheftypus bei einer Gehaltsverhandlung wie angesprochen werden will.

  • Permanent im Stress: Viele Vorgesetzte stehen dauernd unter Zeitdruck. Wer das weiß, sollte im Termin schnell auf den Punkt kommen und konkrete Vereinbarungen treffen. Wichtig ist, verbindliche Aussagen einzufordern.
  • Auf Du und Du: Freundliche Chefs sind im Alltag angenehm, gehen aber bei Verhandlungen gern in Deckung. Darauf reagieren Mitarbeitende, indem sie ihre Position verteidigen und sich nicht vertrösten lassen.
  • Alles schon da gewesen: ­Erfahrene Chefs denken nur da­ran, was für die Firma gut ist. Hier sollte man die eigenen Erfolge deutlich machen und die Forderung damit begründen, dass gute Leistung sicher honoriert werde.
  • Es geht um das Geschäft: Für manche Chefs zählen nur Zahlen. Präzise sein: Um wie viel steigerte die eigene Leistung den Umsatz? Was wurde gespart? Emotionen bleiben hier besser außen vor.

Fotos: Adobe Stock

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