Diversität im Job: mit Vielfalt gewinnen

Immer mehr Firmen gehen mit einem Diversity-Management auf die Unterschiedlichkeit ihrer Mitarbeitenden ein und fördern gemischte Teams. Wie Beschäftigte profitieren und man sich gegen Diskriminierung wehrt.

Text: Daniela Eckstein

Diversity – viele schalten schon bei diesem Begriff auf Abwehr, denn oft werden damit die gerade sehr umstrittenen „woken“ Themen verbunden, also Fragen von Identität, geschlechtlicher Orientierung oder Klimaaktivismus. Doch bei all der öffentlichen Aufregung über Dragqueens bei Olympia oder Gendersprache in amtlichen Dokumenten wird oft vergessen, dass es ernste und wichtige Themen sind, die mit dem Schlagwort Diversität – zu Deutsch „Vielfalt“ – gemeint sind, etwa gerechte Bezahlung, gleiche Aufstiegschancen und fairer Umgang miteinander.

Die in den 1980er-Jahren in den USA entwickelte Idee: Jeder Mensch sollte leben und arbeiten können, ohne diskriminiert zu werden. Alter, soziale Herkunft, Nationalität, Geschlecht, Religion oder andere Merkmale sollten keine Rolle spielen. Noch besser: Man respektiert und akzeptiert die individuellen Besonderheiten der anderen und profitiert davon, dass die Teams in den Büros und Betrieben immer vielfältiger – diverser – werden.

Diversity will gute Arbeitsbedingungen für alle: Jeder Mensch sollte die gleichen Chancen im Job haben. Merkmale wie Alter, soziale Herkunft, Nationalität, Geschlecht oder Religion dürfen keine Rolle spielen.

Viele Unternehmen sind inzwischen davon überzeugt, dass gemischte Teams, in denen völlig verschiedene Menschen zusammenarbeiten, schlagkräftiger sind und besser zum Geschäftserfolg beitragen. Denn dort kommen unterschiedliche Blickwinkel und Lebenserfahrungen eher zum Tragen, als wenn die Biografien der Kolleginnen und Kollegen sich stark ähneln.

Auch beim Wettlauf um die besten Nachwuchskräfte können vielfältige Unternehmen im Vorteil sein. Die Internationale Hochschule (IU) mit Sitz in Erfurt führte dazu eine repräsentative Studie unter Studierenden und Auszubildenden durch. Mehr als 75 Prozent der Befragten fanden es wichtig oder sehr wichtig, dass Arbeitgeber Diversity-Management-Maßnahmen durchführen.

Charta der Vielfalt als Selbstverpflichtung

Kein Wunder, dass immer mehr deutsche Unternehmen und Organisationen – darunter die Sparkassen – die Vielfalt in ihrer Belegschaft durch Einzelmaßnahmen fördern oder sogar ein umfassendes Diversity-Management etablieren, mit dem sie diskriminierende Strukturen abbauen.

Mehr als 5000 von ihnen haben seit 2006 die sogenannte Charta der Vielfalt unterzeichnet und verpflichten sich damit unter anderem, „eine respektvolle und wertschätzende Organisationskultur zu pflegen“, sagt Cawa Younosi, Geschäftsführer des Vereins Charta der Vielfalt, der die Selbstverpflichtungsurkunden ausstellt und die Firmen mit Informationen unterstützt.

Unter anderem veranstaltet der Verein, dessen Schirmherr der Bundeskanzler ist, einen jährlichen Diversity-Tag. Ihn nutzen viele Arbeitgeber dazu, ihre Belegschaft zu sensibilisieren und zum Beispiel auf unbewusste Vorurteile aufmerksam zu machen.

In der Praxis setzen die meisten Unternehmen beim Thema Vielfalt aber oft nur Schwerpunkte, statt sich um alle sieben Diversity-Dimensionen zu kümmern, die sich auf grundlegende und kaum veränderbare Eigenschaften von Menschen beziehen: Alter, ethnische Herkunft/Nationalität, Geschlecht/geschlechtliche Identität, körperliche/geistige Fähigkeiten, Religion/Weltanschauung, sexuelle Orientierung und soziale Herkunft.

Alle Beschäftigten einbeziehen

Viele Firmen fördern die Karrierechancen von Frauen. Oder sie unterstützen Menschen mit Migrationshintergrund. Doch eben nicht jeder Chef, der familienfreundliche Arbeitsmodelle ermöglicht, bietet auch Menschen mit Behinderung eine Stelle an. Wissenschaftler und Unternehmensberater, die sich für Vielfalt in der Arbeitswelt einsetzen, propagieren daher inzwischen ein erweitertes Konzept, wonach alle Beschäftigten in die Diversity-Strategie von Unternehmen einbezogen werden und von Chancengleichheit profitieren sollen. Dafür stehen die Begriffe Inclusion und Equity. Zunehmend wird mit dem Schlagwort DEI (Diversity, Equity, Inclusion) geworben.

Gerade für Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen sind passend ausgestattete Homeoffice-Arbeitsplätze wichtig.

Die Wissenschaftler betonen auch, dass es nicht genügt, einfach unterschiedliche Menschen in Teams zusammenarbeiten zu lassen. Ihr Credo: Man muss auch dafür sorgen, dass die verschiedenen Meinungen tatsächlich gehört werden und durch die Mischung nicht zusätzliche Konflikte entstehen. So etwas zu organisieren, ist Aufgabe von Diversity-Managern.

Auch beim Verein Charta der Vielfalt gibt man sich mit Blick auf einen 2023 erschienenen Bericht der Allbright-Stiftung noch nicht zufrieden, denn daraus geht hervor, dass das durchschnittliche Vorstandsmitglied männlich und deutsch ist und 1969 geboren wurde. „Vielfalt muss von den Führungsetagen noch stärker vorgelebt und unterstützt werden“, betont Cawa Younosi.

Diskriminierung noch immer verbreitet

Dass in Sachen Diversity noch viel zu tun ist, zeigt auch der aktuelle Jahresbericht der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Die meisten der dort im vergangenen Jahr gemeldeten Diskriminierungen fanden im Arbeitsleben statt – mehr als 2600 Fälle. Reentje Streuter, Referatsleiter für Antidiskriminierungsrecht/-politik beim DGB-Bundesvorstand, wundert das nicht. „Es ist begrüßenswert, dass Unternehmen sich zu Diversity bekennen. Aber es fehlt bisher die rechtliche Verbindlichkeit. Daher kommt für die Beschäftigten häufig nicht viel dabei heraus“, erklärt er.

Seine Kritik richtet sich auch gegen den Gesetzgeber. So setzt sich der DGB entschieden dafür ein, dass das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das es schon seit 2006 gibt und das jegliche Diskriminierung verbietet, reformiert wird, denn aktuell hat man nur zwei Monate Zeit, eine Diskriminierung zu melden (siehe Interview unten). Streuter: „Um sich beraten zu lassen und alle Beweise zu sichern, ist das viel zu kurz. Diese Frist muss auf sechs Monate verlängert werden. Außerdem kann es nicht sein, dass es bisher keine Konsequenzen hat, wenn Unternehmen die von ihnen geforderte Beschwerdestelle nicht einrichten.“

So bleibt den Beschäftigten vor allem, auf ihre Arbeitgeber einzuwirken, verbindliche Regeln für mehr Vielfalt zu schaffen. „Diversity-Richtlinien können in Betriebsvereinbarungen festgeschrieben werden. Damit hat man auch die Betriebsräte im Boot, und das Thema erhält in der Belegschaft eine größere Wahrnehmung“, betont Streuter.

Fachkräftemangel und Nachhaltigkeit

Dass die Diversity-Idee bei aller Kritik Zukunft hat, daran zweifelt dennoch niemand. Allein der Fachkräftemangel wird dafür sorgen, dass qualifizierte Jobanwärter wählerisch sind. Wer also gerade auf Stellensuche ist, kann potenzielle Arbeitgeber auf ihr Diversity-Engagement hin checken.

Außerdem ist Diversity ein Teilaspekt der sozialen Nachhaltigkeit. Waren es bisher nur Aktiengesellschaften, die Nachhaltigkeitsberichte abgeben mussten und deshalb zu den Vorreitern beim Thema Vielfalt zählten, werden ab kommendem Jahr viele andere große und in den Folgejahren auch kleinere Unternehmen dazu verpflichtet.

Vorbilder aus der Praxis

Konkrete Maßnahmen, die zur Vielfalt im Unternehmen beitragen.

  • Neue Arbeitsmodelle. Sie helfen Müttern, im Job zu bleiben: Homeoffice, Teilzeit, Jobsharing in Führung, Elternzeit für Väter.
  • Lohnlücke schließen. Fortschrittliche Chefs sorgen dafür, dass Frauen gleichen Lohn für gleiche Leistung erhalten.
  • Jobchance trotz Behinderung. Moderne Unternehmen machen Menschen mit Beeinträchtigung gute Jobangebote.
  • Statt sie in Vorruhestand zu schicken, nutzt man die Erfahrung älterer Kollegen. Die jüngeren erhalten gute Aufstiegschancen oder lernen im Führungskräftetandem von ihnen. Erfolgsbeispiele: www.charta-der-vielfalt.de.

Beratungsstellen bieten Hilfe

Wie man sich gegen Diskriminierung wehren kann.

  • Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Bei dieser bundesweit tätigen Einrichtung erhält man eine erste Rechtsberatung – kostenlos, vertraulich, auf Wunsch anonym, in der Regel telefonisch oder schriftlich. Telefon: 0800 5465465, E-Mail: beratung@ads.bund.de, Web: antidiskriminierungsstelle.de/beratung.
  • Regionale Beratungsstellen. Meist in den Landeshauptstädten zu finden. Auch sie beraten unentgeltlich und vertraulich, oft auch mehrsprachig, anonym oder per Videokonferenz. Ihre Kontakt­daten erhält man vom Antidiskriminierungsverband Deutschland. Telefon: 01590 6146613, Web: antidiskriminierung.org.

„Keine Rechtfertigung für Diskriminierung“

Reentje Streuter arbeitet beim DGB-Bundesvorstand im Bereich Recht und Vielfalt.

Reentre Streuter

S-Quin: Herr Streuter, was sollte jemand tun, der sich diskriminiert fühlt?
Reentje Streuter: Ganz wichtig ist, nicht die Schuld bei sich selbst zu suchen. Es gibt keine Rechtfertigung dafür, dass Vorgesetzte, andere Beschäftigte oder Dritte jemanden diskriminieren. Daher ist es verboten. Rechtsgrundlage ist unter anderem das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Wenn möglich, sollte man sich gegenüber der diskriminierenden Person wehren, klar machen, dass man sich diskriminiert fühlt, und Konsequenzen ankündigen. Im zweiten Schritt sollte man sich Hilfe suchen.

S-Quin: Wer hilft einem bei Diskriminierung?
Streuter: Grundsätzlich ist jeder Arbeitgeber nach den Paragrafen 12 und 13 AGG verpflichtet, eine betriebliche Beschwerdestelle einzurichten.

S-Quin: Was macht man, wenn man im Unternehmen nicht weiterkommt?
Streuter: Es gibt öffentliche Beratungsstellen, die gute unentgeltliche Unterstützung leisten. Sie dürfen allerdings nicht bei gerichtlichen Auseinandersetzungen helfen.

S-Quin: Was bringt eine Beschwerde oder Klage?
Streuter: Zunächst muss die Diskriminierung gestoppt werden. Wenn ein gravierender Tatbestand vorliegt, zum Beispiel ein sexueller Übergriff, wird die diskriminierende Person unter Umständen sogar entlassen. Und vor Gericht geht es oft um eine Entschädigung.

S-Quin: Wie kann man sich rechtlich gegen eine Diskriminierung wehren?
Streuter: Laut AGG muss man seinen Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber binnen zwei Monaten geltend machen. Dabei sollte man sich unbedingt juristisch unterstützen lassen.

Fotos: Adobe Stock, iStockphoto

 

 

 

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