Clemes Sels Museum Neuss: „Die Sammlung ist gerettet, aber wir sind noch lange nicht fertig“

Es war eine Katastrophe – für Neuss und die Kunstwelt. Am 20. Mai 2022 wurden nach Starkregenfällen bei einem Wassereinbruch im Clemens Sels Museum Neuss rund 300 Kunstwerke und das Gebäude beschädigt. Im Interview mit dem S-Quin-Magazin erläutert Museumsdirektorin Dr. Uta Husmeier-Schirlitz, wie es möglich war, nur wenige Monate später wieder zu eröffnen und wie die beschädigten Werke restauriert werden. In der aktuellen Ausstellung „Comeback 2“ können Kunstinteressierte sich einen eigenen Eindruck verschaffen und 30 der restaurierten Werke sehen.

Interview: Gunnar Erth

S-Quin-Magazin: Wie hat der Wasserschaden Ihr Museum verändert?
Husmeier-Schirlitz: Seit dem 20. Mai 2022 ist nichts mehr, wie es war. Bei dem Wassereinbruch sind große Schäden entstanden – an 300 Werken und auch am Gebäude. Für uns ist wichtig: Wir wollen unsere Sammlung vollständig retten und bemühen uns um die Restaurierung jedes einzelnen Werks. Ich möchte vor allem unserem Team ein ganz großes Lob aussprechen, das bei dem Wasserschaden sofort mit angepackt hat. Wir haben jetzt fast anderthalb Jahre Ausnahmezustand hinter uns – und der geht auch noch ungefähr einmal so lange weiter. Wir peilen den Abschluss der Renovierung mit der Wiedereröffnung der Archäologischen Abteilung für Mitte 2025 an – und stellen uns bis dahin noch auf viele Unwägbarkeiten ein.

Zahlreiche Werke wurden umgehend restauriert. Foto: Britta Schüssling, Köln

Wird das Museum danach so sein wie vor dem Wasserschaden?
Im Außen- und Innenbereich werden Präventionsmaßnahmen ergriffen, um solche Schäden zukünftig zu vermeiden. Die Ausstellungs- und Depotflächen sowie die Werkstatt sollen wiederhergestellt werden. Aufgrund des Denkmalschutzes werden am Gebäude selbst keine größeren Veränderungen vorgenommen werden. Die Präsentation unserer archäologischen Sammlung wird demgegenüber natürlich völlig neu gedacht werden.

Gab es da so große Schäden?  
Wir mussten nach dem Wasserschaden im Depot und der Archäologischen Abteilung alles evakuieren. Als man versuchte, den Fußboden im Untergeschoss zu trocknen, stellte man fest, dass das Wasser über Revisionsklappen unter die Fußbodenheizung gelaufen war. Deshalb musste der ganze Boden aufgestemmt werden. Das haben wir am 11. Juli 2022 erfahren. Und das bedeutete: 140 Tonnen Schutt!

Ein Wahnsinn…
Es geht noch weiter. Wegen der Erschütterungen musste auch die Schausammlung in der ersten Etage evakuiert werden, die ja nicht vom Wasserschaden betroffen war. Wir haben dann aus der Not eine Tugend gemacht und die vorübergehende Auslagerung der Schausammlung dazu genutzt, um ein neues und interaktiveres Konzept für die Präsentation zu entwickeln.

Restauratorin Kim Ohm bei der Dokumentation des Schadens an einem Objekt. Foto: Britta Schüssling, Köln

Wie haben Sie das gemacht?
Mit einem neuen Farbkonzept und einem neuen inhaltlichen Konzept, das mehrere Aspekte nach vorne brachte. Wir wollten den Dialog zwischen Gemälde und Papier voranstellen, neue Themenschwerpunkte setzen und dem Publikum mehr Informationen zu den Werken vermitteln, die Interaktivität erhöhen und die Sichtbarkeit von Künstlerinnen innerhalb der Sammlung erhöhen. Im Bereich Interaktivität sind zum Beispiel viele neue digitale und hybride Angebote hinzugekommen.

Und das haben sie sofort umgesetzt?
Ja, natürlich! Wir waren so verrückt und haben das direkt gemacht [lacht].

Wann hatten Sie denn die Zeit dafür?
Wir haben jede Minute genutzt! Sie müssen sich das vor Augen halten. Am 20. Mai 2022 war der Wasserschaden, am 6. November 2022 die Teil-Wiedereröffnung. Dazwischen lag kein halbes Jahr. In der Zeit haben wir alles ausgeräumt und teilweise wieder eingeräumt, ein neues Konzept entwickelt und auch noch die geplanten Wechselausstellungen neu konzipiert. Ganz zu schweigen von der Schadensabwicklung mit der Versicherung. Bei der Wiedereröffnung am 6. November 2022 habe ich zwei Dinge gesagt, zu denen ich auch heute noch stehe. Zum einen: Wer noch nicht an Wunder geglaubt hat, der kann jetzt damit anfangen. Und, in Richtung Museums-Team, Feuerwehr und aller anderen helfenden Hände: Wir sind Helden.

Das neue Ausstellungskonzept bringt viele Werke besser zur Geltung – wie etwa die Symbolisten. Foto: Anne Orthen

Das ist eine enorme Leistung.
Für uns ist es deshalb wichtig, in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken, dass wir ein für alle offenes Museum mit einer grandiosen Sammlung und einem tollen Vermittlungsprogramm sind. Gerade in Zeiten, wo die Kassen knapper werden, benötigen wir die Wertschätzung des Publikums gegenüber dem Haus, der Sammlung und unserer Arbeit.

Wie viel digitaler ist das Museum denn geworden?
Bei den digitalen und hybriden Angeboten waren wir schon konzeptionell gut aufgestellt und konnten darauf aufbauen. Wir haben zum Beispiel Fördermittel vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen erhalten, um ein digitales Game für die Altersgruppe 12 bis 18 Jahre zu entwickeln, das man nur im Museum in Kombination mit unseren Gemälden vor Ort spielen kann. Es heißt „M1n3rva – Play the Game!“. Dabei geht es um eine KI, die eigentlich ein interaktiver Museumsguide sein soll, doch im Laufe des Spiel passiert natürlich so einiges. Das Game haben wir parallel zur Zeit des Wasserschadens entwickelt und wir sind nun eines der ganz wenigen Museen in NRW, die so etwas schon haben. Wir sind da ganz weit vorne.

Können Sie noch kurz das neue Farbkonzept erklären?
Wir haben ja eine sehr komplexe Sammlung, wo es in fast jedem Raum eine neue Strömung oder Kunstrichtung zu sehen gibt. Das wirkte oft verwirrend. Indem wir jetzt eine farbliche Klammer setzen, findet man sich besser zurecht. Aber es geht noch weiter: Die ausgewählten Farben müssen eine Folie bilden, auf der die Werke besser wahrzunehmen sind. Die Farbe muss sich so weit zurücknehmen, dass sie dem Auge Ruhe bietet, aber auch die Werke zum Strahlen bringt. Und es kommt gut an: Wir bekommen ganz viel Feedback, wie angenehm die Räume jetzt sind.

In der Ausstellung „Comeback 2“ Die ersten 30 restaurierten Werke zu sehen. Foto: Anne Orthen

Aktuell gibt es die Ausstellung „Comeback 2“. Was gibt es dazu sehen?
Die ersten 30 restaurierten Werke. Und die decken nicht nur ein großes Spektrum unserer Sammlung ab, sondern auch der Art der Wasserschäden. Drei Beispiele: Mit dabei ist mit Émile Bernards Gemälde „Die Ernte in Saint-Briac“ ein absolutes Spitzenstück. Dort hatten wir Glück – es war lediglich der Rahmen beschädigt. Nichtsdestotrotz kann ein Werk nur gezeigt werden, wenn Bild und Rahmen in gutem Zustand sind. Anders verhielt es bei Wilhelm Morgners „Astrale Komposition XI“. Dort war das Werk selbst beschädigt, also auch die Malschicht. Und bei einer großformatigen Zeichnung von Wilhelm Schmurr, die die Tänzerin Tatjana Barbakoff zeigt, hatten wir wirklich Sorge gehabt, ob überhaupt jemand das Bild wegen des Materials Papier wieder in den ursprünglichen Zustand versetzen kann.

Und das ist gelungen?
In den erwähnten Fällen waren wir positiv überrascht, die Restauratorinnen haben hervorragende Arbeit geleistet. Und dies findet bei den Besucherinnen und Besuchern Anklang. Wir machen in „Comeback 2“ die Dramatik des Ereignisses bis hin zum glücklichen Ende nachvollziehbar. Wir sensibilisieren für unsere Schätze und erläutern, was passiert wäre, wenn wir nach dem Wassereinbruch nicht so schnell gehandelt hätten.

Sie hatten die Geschwindigkeit der Restaurierung betont. Ist das Tempo so wichtig?
Das ist ganz entscheidend. Die Werke müssen ganz schnell raus aus der feuchten Umgebung, sonst droht die Schimmelbildung – und das würde die Restaurierung enorm erschweren. Deshalb ist die Leistung so hoch einzuschätzen, die Werke so schnell aus der Gefahrenzone herauszubringen. Besonders wichtig ist dies bei Arbeiten auf Papier. Wenn sich Wasserränder bilden oder sich das Papier verzieht, muss zügig gehandelt werden um ein Verfärben zu verhindern und Wellen zu entfernen. Deshalb mussten wir bei der Entscheidung, in welcher Reihenfolge die Werke restauriert werden, ganz unterschiedliche Kriterien anlegen.

Die Restauratorin Ilka Meyer Storck bei der Arbeit. Foto: Britta Schüssling, Köln

Welche sind das?
Das ist zum einen die Qualität des Werks und sein Wert für die Sammlung. Und zum anderen die Zeitschiene der Restaurierung und die Fragilität des Werks in Bezug auf den Schaden. Neben dem Material Papier ist dies zum Beispiel bei Gemälden wichtig. Wird nur ein kleiner Teil der Oberfläche beschädigt und muss diese dann gereinigt werden, ist diese oft heller. Also muss die gesamte Oberfläche gereinigt werden, damit der Gesamteindruck wieder stimmt.

Laut Pressemitteilung waren die Restauratorinnen und Restauratoren ja schon unmittelbar nach dem Schadensfall im Museum zur Begutachtung. Wie hat das geklappt?
Wir haben wirklich gute Kontakte. Dadurch, dass wir keine eigenen Restauratorinnen und Restauratoren im Haus haben, sind wir auf diesem Gebiet schon immer darauf angewiesen gewesen, uns Hilfe zu holen. Wir hatten Glück im Unglück, denn viele sehr gute Leute waren sofort verfügbar oder haben sich die Zeit genommen und Privataufträge verschoben. Das drückt auch eine Wertschätzung gegenüber unserer Sammlung aus.

Wann kommen die 60 Werke zurück, die gerade restauriert werden?
Anfang 2024. Wie viele anschließend in der nächsten Runde restauriert werden, können wir noch nicht sagen.

Und was steht als nächste Ausstellung im Museum an?
Am 22. Oktober 2023 eröffnen wir die Ausstellung „Gewagte Visionen“ zum belgischen Symbolismus, die wir eigentlich für den Herbst 2022 geplant hatten. Dabei präsentieren wir auch hochkarätige Leihgaben und erwarten wichtige Gäste aus Politik und Kultur aus dem In- und Ausland. Für diese Ausstellung bündeln wir in den nächsten Wochen alle unsere Kräfte.

„Comeback 2“ und Gewagte Visionen

Die Ausstellung „Comeback 2 – Restaurierte Werke neu entdecken!“ ist noch bis zum zu sehen. Am 22. Oktober 2023 eröffnet die Ausstellung „Gewagte Visionen“. Übrigens: S-Quin Kunden erhalten bei jedem Besuch des Museums einen Audioguide für die Sammlung gratis. Einfach Ihre S-Quin-Kontokarte vorlegen. Adresse: Am Obertor, 41460 Neuss. Öffnungszeiten: Dienstag – Samstag 11–17 Uhr, Sonntag und an Feiertagen 11–18 Uhr, am letzten Donnerstag im Monat von 11-20 Uhr. 

Titelfoto: Anne Orthen

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