Der Reiz der Kryptokunst

Non-Fungible Tokens revolutionieren derzeit den Handel in der Kunstwelt. Dank der Kryptotechnologie lassen sich digitale Gemälde schnell zu Geld machen. Doch der Boom hat auch seine Risiken.

Text: Thomas Luther

Drei, zwei, eins – meins! Das dachte sich wahrscheinlich der Inder Vignesh Sundaresan, als er im März 2021 beim Auktionshaus Christie’s beharrlich den Preis für ein Gemälde nach oben trieb. Bei knapp 70 Millionen US-Dollar (69.346.250, um genau zu sein) bekam er den Zuschlag für „Everydays: The First 5000 Days“ (siehe Foto oben). Gezahlt wurde in der Kryptowährung Ether.

Für diesen Preis kann Sundaresan das Kunstwerk nicht einmal in den Händen halten. Das Gemälde besteht aus vielen elektronischen Einzelbildern, die der Künstler Mike Winkelmann unter dem Pseudonym Beeple 5000 Tage lang gepostet und zu einem digitalen Gemälde zusammengefügt hatte. Auf der Website von Christie’s können es Besucher weiterhin kostenlos ansehen. Für das viele Geld gab es lediglich die Bilddatei und ein dazugehöriges Non-Fungible Token – kurz NFT.

Diese NFTs rollen derzeit den Kunstmarkt auf. Sie dokumentieren lückenlos und fälschungssicher, wer das Eigentum an dem digitalen Original hat, sind quasi digitale Echtheitszertifikate. Damit lassen sich digitale Gemälde, Musikstücke oder Memes, die grundsätzlich einfach zu kopieren sind, zum Unikat machen. Die Technologie dafür basiert auf der Ethereum-Blockchain. Eine Blockchain ist vereinfacht gesagt eine Kette digitaler Datenblöcke, die durch eine Art Code verbunden sind.

Verkauf auf Online-Plattformen

Wird etwa das Beeple-Gemälde wieder verkauft, entsteht bei der Bezahlung mit Kryptowährung ein neuer Datenblock. Der wird dann mit einer aufwendigen Rechenoperation in die Kette eingefügt und erzeugt ein neues NFT. Angeheizt wird der Boom dadurch, dass sich NFTs schneller zu Geld machen lassen als physische Werke, die bei einem Auktionshaus oder Galeristen eingeliefert werden müssen. Wer verkaufen will, bietet sein NFT einfach auf einer Online-Plattform an.

Den Durchbruch hat die Kryptokunst mit cartoonartigen Illustrationen von gelangweilt dreinschauenden Affen geschafft. Jeder Affe ist ein Unikat. Anhand von 172 Merkmalen lassen sich die Bilder unterscheiden. Einige davon tauchen nur ein einziges Mal unter den 10.000 Exponaten auf, für die jeweils ein Token in der Blockchain hinterlegt worden ist. Das bedient das Jagdfieber der Sammler und treibt den Preis hoch.

Sechsstellige Summen für einen Affen

Die ersten Exemplare gingen noch für rund 200 Euro pro Stück weg. Inzwischen müssen Kunstinteressierte mindestens sechsstellige Summen zahlen, wenn sie sich einen der sogenannten Bored Apes zulegen wollen. Die Eigentümer bekommen dafür indes alle Rechte an der Vermarktung ihres Affen. Sie können etwa Lizenzen für Werbezwecke verkaufen. Bei vielen anderen NFTs behalten dagegen die Künstlerinnen und Künstler die Urheberrechte.

Mit Affen wie diesem kam der Durchbruch für die Kryptokunst. 10 000 Bored Apes gibt es. Foto: Shutterstock

Die Token-Welle hat auch den traditionellen Kunstmarkt erreicht. 2021 hatte zum Beispiel eine Schweizer Bank das Picasso-Gemälde „Fillette au béret“ in kleine Quadrate aufgeteilt. Darauf wurde jeweils ein NFT begeben, das ein Miteigentum am Werk verkörpert.

„Durch die Tokenisierung bekommt theoretisch eine breitere Kundengruppe Zugang zu einem teuren Kunstwerk“, sagt Johanna Neuschäffer, Mitbegründerin der Galerie Office Impart in Berlin, die sich viel mit digitaler Kunst und NFTs beschäftigt. „Damit ist es möglich, dass sich Menschen auch mit weniger Geld an einem Picasso oder Monet beteiligen können, wenn der am Markt angeboten wird“, ergänzt Geschäftspartnerin Anne Schwanz. „Spannend wird es aber vor allem, wenn es um das Sammeln von digitaler Kunst geht.“

Problemfall Datensicherheit

Doch der Boom hat auch Risiken. Zwar ist das NFT selbst fälschungssicher, doch muss auch das Gemälde, auf das es sich bezieht, echt sein. Davon müssen sich Interessenten im Zweifelsfall durch ein Gutachten überzeugen – ebenso wie von der Tatsache, dass es tatsächlich irgendwo treuhänderisch verwahrt wird und frei verkäuflich ist. Zudem sind die Online-Plattformen, auf denen NFTs gehandelt werden, nicht in jedem Fall sicher. Wiederholt sind Kryptobörsen Opfer von Hackerangriffen geworden, bei denen NFTs gestohlen wurden. Den Schaden haben die Alteigentümer.

„Neben dem Hype ist die Entwicklung von NFTs in der Kunst besonders für die digitale Kunst eine große Neuerung, weil sie dadurch transparent handel- und sammelbar geworden ist“, sagt Neuschäffer. Letztlich hängt es vom eigenen Geschmack ab, ob NFTs oder physische Gemälde die bessere Wahl sind. Letzere sind auch oft günstig zu haben und lassen sich daheim aufhängen.

Titelfoto: Adobe Stock

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