Börsenkennzahlen: Erfolg im Auf und Ab der Kurse

Anlegerinnen und Anleger sollten sich nicht von Unsicherheiten und schlechter Stimmung an den Kapitalmärkten anstecken lassen. Mit Strategie und kühler Analyse haben sie gute Chancen, an der Börse zum Erfolg zu kommen.

Text: Thomas Luther

Wenn es um Rezepte für den Börsenerfolg geht, führt kein Weg an Harry Markowitz vorbei. Der 2023 verstorbene Wissenschaftler gilt als Vater der Portfoliotheorie. Danach verläuft die Wertentwicklung einzelner Anlageklassen wie Aktien oder Anleihen zeitlich unterschiedlich. Die Verteilung des Gelds auf verschiedene Vermögensklassen und die breite Streuung auf Einzeltitel und Fonds, im Fachjargon Diversifikation genannt, senken das Anlagerisiko. So wie es die goldene Anlageregel besagt, nach der niemals alle Eier in einen Korb gelegt werden sollten.

1990 erhielt Markowitz für seine Konzepte den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften. Auf dieses Modell bauen Tausende von Aktienfonds und Indexfonds (ETFs). Doch das Vertrauen in Markowitz‘ Ideen ist brüchig geworden, denn die Börsenkurse fahren seit Monaten Achterbahn. Teilweise haben Aktien, Anleihen und Immobilien gleichzeitig an Wert verloren, und auch viele Rohstoffpreise treten auf der Stelle. Das verunsichert die Anleger.

Mit ruhiger Hand durch Turbulenzen

Was tun angesichts dieser widrigen Bedingungen? „An der Börse weiß man nie, was morgen passiert. Daher sollten sich Anlegerinnen und Anleger an feste Regeln halten“, sagt Martin Weber, Seniorprofessor an der Universität Mannheim mit Forschungsschwerpunkt Kapitalmärkte. „Sie helfen dabei, das Portfolio mit ruhiger Hand auch durch turbulente Phasen zu steuern und sich nicht von Unsicherheit und den Stimmungen an den Märkten beeinflussen zu lassen.“ Seinen Beobachtungen zufolge machen Anleger oft den Fehler, jeden Tag in ihr Depot zu schauen, um dann hektisch zu kaufen oder zu verkaufen. „Oft laufen sie damit dem Markt nur hinterher“, weiß Weber.

Dabei sind es oftmals nur wenige Faktoren, die den langfristigen Preistrend vorgeben. Bei Immobilien ist es die Lage, bei Anleihen Inflation, Konjunktur und Notenbanken, und bei Aktien bestimmen Gewinne und Vermögen der Unternehmen den Kurs. „Um ein Gefühl dafür zu bekommen, ob eine Aktie teuer oder günstig bewertet ist, lohnt der Blick auf Bewertungskennzahlen, bei denen der Kurs einer Aktie in Relation zu verschiedenen fundamentalen Kenngrößen gesetzt wird“, erläutert Joachim Schallmayer, Leiter Kapitalmärkte und Strategie bei der Sparkassenfondsgesellschaft Deka.

Auf das KGV achten

Die gängigste Kennzahl ist das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV). Dabei wird der Kurs einer Aktie in Relation zum laufenden Gewinn gesetzt. Die Kennzahl gibt also an, mit welchem Vielfachen das Jahresergebnis der Firma an der Börse bezahlt wird. Da am Aktienmarkt die Erwartungen gehandelt werden, wird das KGV häufig auf Basis einer Gewinnschätzung für die kommenden zwölf Monate gebildet. Unterschiedliche Meinungen über die Geschäftsperspektiven der Firma und der Branche, aber auch die Stimmung an den Börsen führen dazu, dass Kurse und KGV um ihren fairen Wert schwanken.

„Hinzu kommt, dass es Marktphasen gibt, in denen Marktteilnehmer kollektiv die Rahmenbedingungen als positiver oder negativer einschätzen und damit regelmäßig den Gesamtmarkt und die Gesamtmarktbewertungen nach oben oder unten bewegen“, erläutert der Deka-Experte. „Dies kann mitunter zu euphorischen Einschätzungen mit im Einzelfall hohen zweistelligen oder gar dreistelligen KGV führen, umgekehrt aber auch zu einem ungewöhnlich niedrigen Wert im Vergleich zum langjährigen Durchschnitt, wenn Panik zu einer Verkaufswelle führt.“

Ein regelbasierter Anlageansatz kann zum Beispiel so aussehen: Zu einem bestimmten Zeitpunkt werden aus den 40 Aktien im DAX die 10 oder 12 mit dem niedrigsten KGV zu gleichen Teilen gekauft. Nach einem Jahr wird das Portfolio nach der Regel neu aufgebaut und justiert. Viele Profis orientieren sich allerdings an mehr als nur einer Kennzahl, etwa neben dem KGV auch am Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV). Es gibt das Verhältnis zwischen dem Börsenwert eines Unternehmens und der Summe der in der Bilanz aufgeführten Vermögenswerte an. Allgemein gilt ein KBV von unter 1 als Zeichen dafür, dass eine Aktie relativ günstig bewertet ist, da in der Bilanz häufig stille Reserven stecken, weil etwa Grundstücke und Immobilien abgeschrieben sind und nur noch mit einem Erinnerungswert darin geführt werden.

Kennzahlen sind besser als Intuition

Die einzelnen Teile und Vermögensgegenstände der Firma sind in diesem Fall also viel mehr wert, als an der Börse dafür bezahlt wird. Eine Erweiterung der Regel könnte so aussehen, dass von den zwölf Aktien mit dem niedrigsten KGV nur die sechs mit dem vergleichsweise niedrigsten KBV im Portfolio landen.

Untersuchungen zeigen, dass solche regelbasierten Anlagestrategien immer wieder Schwächephasen durchlaufen und dem Markt hinterherhinken. Aber die Ergebnisse sind in der Regel besser, als intuitiv zu kaufen und zu verkaufen. „Bei der Betrachtung von Bewertungsgrößen ist zu beachten, dass die Kurse nicht nur sehr stark schwanken, sondern sich auch über sehr lange Zeiträume von ihren fundamentalen fairen Werten entfernen können“, sagt Schallmayer. „Deswegen bleibt die Streuung eines der wichtigsten Anlageprinzipien, das sich mit einem gut diversifizierten Fonds einfach umsetzen lässt.“

Daran dockt auch Wissenschaftler Weber an. „Selbst einfache Faustregeln wie ein Drittel Renten, ein Drittel Aktien, die zum Beispiel jeweils über ETFs abgebildet werden, und ein Drittel Liquidität helfen Anlegerinnen und Anlegern, mit einem komplexen Umfeld zurechtzukommen“, sagt er. Markowitz würde es mit Wohlgefallen hören.

Illustrationen: Shutterstock

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