Viele ältere Arbeitnehmer nutzen Altersteilzeit für einen gleitenden Übergang vom Job in die Rente. Einen rechtlichen Anspruch gibt es allerdings meist nicht. Wie das Modell funktioniert.
Text: Gunnar Erth
Johannes B. musste nicht lange überlegen, als ihm sein Arbeitgeber Altersteilzeit anbot. „Die Firma, bei der ich über 25 Jahre gearbeitet hatte, war im Umbruch und wollte ohne Entlassungen Personal abbauen“, erinnert sich der Journalist. „Da ich sowieso gut vorgesorgt hatte, nahm ich das Angebot gerne an.“ Damals hatte er mit 55 das Mindestalter für Altersteilzeit gerade erreicht.
Nur wenige Monate später begann für ihn bereits die sogenannte aktive Phase der Altersteilzeit. In diesem populären Blockmodell halbieren Mitarbeiter für mehrere Jahre bis zum Renteneintritt ihre Arbeitszeit, wobei sie in der ersten Hälfte dieser Periode voll und in der zweiten, der sogenannten passiven Phase gar nicht mehr arbeiten.
Neben dem Blockmodell gibt es auch noch das Gleichverteilungsmodell. Hier wird die Arbeitszeit über den gesamten vereinbarten Zeitraum aufgeteilt. Das heißt, der Arbeitnehmer kann entweder halbtags arbeiten oder etwa in wöchentlichen Intervallen zwischen Vollzeit und Freizeit wechseln. Auch ein Einsatz nach den Erfordernissen eines Saisongeschäfts ist möglich. In beiden Modellen ist der Arbeitnehmer über die komplette Dauer versicherungspflichtig beschäftigt.
Aufstockungen machen die Altersteilzeit interessant
Während der gesamten Altersteilzeit wird der Bruttolohn des Arbeitnehmers halbiert. Netto bleibt aber wegen der Steuerprogression meist mehr als die Hälfte übrig, da größere Einkommen mit einem höheren Prozentsatz besteuert werden. Finanziell interessant wird das Modell für Mitarbeiter vor allem aber dadurch, dass die Firma das Gehalt aufstockt. „Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer einen Aufstockungsbetrag in Höhe von mindestens 20 Prozent des Altersteilzeitentgelts zu zahlen“, erläutert Gundula Sennewald von der Deutschen Rentenversicherung Bund in Berlin.
Die Aufstockung muss zwar nicht versteuert werden, hat aber Einfluss auf die Steuerprogression. Geringer ist der Aufstockungsprozentsatz nur dann, wenn jemand ein sehr hohes Gehalt bezieht. Die üblichen 20 Prozent werden nur bis zur Höhe des Einkommens berechnet, das als Beitragsbemessungsgrenze für die Rentenversicherung gilt.
Neben dem Gehaltszuschuss trägt der Arbeitgeber allein die zusätzlichen Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung. Insgesamt werden auf diese Weise in der Praxis meist rund 90 Prozent der bisherigen vollen Rentenversicherungsbeiträge geleistet. Sennewald: „Der Arbeitgeber kann diese freiwillig auf den vollen Betrag aufstocken, maximal bis zur Beitragsbemessungsgrenze.“
Es darf keine Versorgungslücke entstehen
Das klingt attraktiv, und so ist es kein Wunder, dass 2020 insgesamt 310.962 Arbeitnehmer vom Altersteilzeitmodell Gebrauch machten, wobei rund zwei Drittel männliche Beschäftigte waren. Es gibt allerdings einige Grundvoraussetzungen für Antragsteller. Diese legt das Altersteilzeitgesetz fest. Neben dem Mindestalter von 55 Jahren müssen Mitarbeiter in den letzten fünf Jahren vor Beginn der Altersteilzeit mindestens 1080 Kalendertage – also drei Jahre lang – sozialversicherungspflichtig in Vollzeit oder Teilzeit beschäftigt gewesen sein. Zudem muss die Altersteilzeit so gelegt werden, dass sie mit dem Rentenbeginn endet. Es darf also keine Versorgungslücke entstehen.
„Die Altersteilzeit tangiert die Ansprüche in der gesetzlichen Rentenversicherung und gegebenenfalls auch Ansprüche auf Betriebsrente“
Ein Rechtsanspruch auf Altersteilzeit besteht zwar nicht, doch es gibt in einigen Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen Regelungen. Häufig wird eine bestimmte Dauer der Betriebszugehörigkeit vorausgesetzt. Einen Tarifvertrag zur Altersteilzeit gibt es etwa in der Metall- und Elektroindustrie und im öffentlichen Dienst. Wer will, kann auch versuchen, eine individuelle Vereinbarung mit seiner Firma abzuschließen. Hier können Betriebsrat oder Personalabteilung mit Infos weiterhelfen. Haben Kollegen unter vergleichbaren Umständen eine Vereinbarung zur Altersteilzeit abgeschlossen, kann man sich zudem eventuell auf eine betriebliche Übung berufen.
Vorher die spätere Rente gut durchrechnen
Da die Altersteilzeitarbeit Auswirkungen auf Einkommen und Rente hat, muss gut gerechnet werden. Johannes B. war sich dessen bewusst. „Ich war lange Zeit im Betriebsrat tätig und wusste, wie Altersteilzeit funktioniert“, berichtet der Stuttgarter. Dennoch fragte er zwei Fachleute, was der Schritt finanziell für ihn bedeute. „Ich habe einen Rentenexperten gefragt, den die Personalabteilung gestellt hat, und ich war bei der Deutschen Rentenversicherung. Gerade das hat sich sehr gelohnt“, sagt er.
Mithilfe des Serviceangebots „Prosa“ machten die Berater eine Rentenprognose über alle Töpfe hinweg: Einnahmen durch gesetzliche Rente, private und betriebliche Altersvorsorge sowie Riester wurden Abzüge durch Steuern und Sozialversicherungsbeiträge gegenübergestellt. Johannes B.: „Damit hatte ich eine stabile und aussagekräftige Basis, mit der ich planen konnte.“
Eine solche Beratung empfiehlt auch Gundula Sennewald. „Die Altersteilzeit tangiert regelmäßig nicht nur die Ansprüche in der gesetzlichen Rentenversicherung, sondern gegebenenfalls auch mögliche Betriebsrentenansprüche und die Steuer aufgrund des Progressionsvorbehalts der Aufstockungsbeträge“, erklärt sie. „Auch ob ein Nebenjob möglich ist, wird für viele insbesondere in der Freistellungsphase interessant.“
Gerade die Möglichkeit eines Hinzuverdiensts sollte vorher genau geklärt werden. Einige Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen beschränken diesen auf einen Minijob auf 450-Euro-Basis. Eine Regelung zur Einschränkung von Nebentätigkeiten im Altersteilzeit-Vertrag sollten beachtet werden, denn ein Verstoß kann teuer werden – der Arbeitgeber kann Schadenersatz verlangen.
Wie sich Krankheit und Kurzarbeit auswirken
Doch was passiert, wenn man in der Arbeitsphase der Altersteilzeit länger krank oder arbeitsunfähig wird? „Während der Lohnfortzahlung müssen die Arbeitgeber die Aufstockungsbeträge weiter zahlen“, erläutert Gundula Sennewald. Nach Ablauf der Lohnfortzahlung haben die Arbeitnehmer Anspruch auf Krankengeld. Das bedeutet, dass dann regelmäßig nur etwa ein Drittel des Entgelts, das vor der Altersteilzeit gezahlt wurde, als Krankengeld zur Verfügung steht.
Inwieweit in dieser Zeit der Arbeitgeber weiterhin Aufstockungsbeträge zahlt, muss mit ihm vereinbart werden, sofern es nicht der Tarifvertrag regelt. Unter Umständen muss die Zeit der Arbeitsunfähigkeit am Ende der Arbeitsphase voll oder hälftig nachgearbeitet werden. Die Freizeitphase beginnt dann später. Sennewald: „Dies ist mit dem Arbeitgeber zu klären.“ Wer befürchtet, in der Altersteilzeit länger krank zu sein, sollte sich vorher besonders gut beraten lassen. Eine längere Krankheit in der Freistellungsphase bleibt hingegen ohne Auswirkung.
Problemfall Kurzarbeit
Ordnet der Arbeitgeber in der aktiven Phase der Altersteilzeit Kurzarbeit an, hat das keine Folgen, wenn Arbeitnehmer mindestens die Hälfte der vereinbarten bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit leisten. Liegt die Stundenzahl niedriger, müssen sie diese Zeit nacharbeiten, sofern die Firma keine freiwilligen Konzessionen macht. Ähnlich ist es, wenn die Chefin oder der Chef die Angestellten in unbezahlten Urlaub schickt.
Johannes B. schreckten diese praktischen Fragen nicht ab. Seit einem Jahr befindet er sich in der passiven Phase und genießt seine Freiheit. „Ich habe mehr Zeit für Freunde, Reisen, Konzerte und meine Ehrenämter“, sagt der Schöffe am Landgericht, der auch im Vorstand eines Orchesterfreundeskreises ist. „Ich wache morgens auf und kann mich frei entscheiden, was ich heute tun will.“
Gut beraten
Die Deutsche Rentenversicherung berät kostenlos rund um alle Fragen zur Altersteilzeit.
In den Auskunfts- und Beratungsstellen der Deutschen Rentenversicherung (DRV) prüfen die Beraterinnen und Berater kostenfrei, ob die Arbeitnehmer die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Altersrente erfüllen, zu denen neben einem bestimmten Lebensalter auch eine gewisse Zahl an Versicherungsjahren gehört. Zudem können sie Probeberechnungen über die im Anschluss an die Altersteilzeit zu erwartende Rentenhöhe erstellen. Auskünfte erteilt die DRV zudem unter www.deutscherentenversicherung.de und der Servicenummer 0800 10004800. Ebenfalls empfehlenswert: Auf der Website „Ihre Vorsorge“, einer Initiative der DRV-Regionalträger und der DRV Knappschaft-Bahn-See, findet sich ein Altersteilzeitrechner.
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