Beim Helfen endet oft die Freundschaft

Der Nachbar, der im Urlaub die Blumen gießt. Der Freund, der beim Umzug mit anpackt: Hilfsbereite Mitmenschen sind ein Segen. Doch wer kommt dafür auf, wenn etwas schiefgeht?

Text: Judith Meister

Handwerk hat goldenen Boden, lautet eine alte Weisheit. Aktuell hat das Handwerk aber vor allem eines: ein Personalproblem. Die jüngste Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) beziffert den Mangel allein für das vergangene Jahr auf insgesamt 87.000 Fachkräfte, Tendenz steigend. Das stellt nicht nur die Unternehmen vor Probleme, sondern auch jene, die auf die Dienste eines Küchenbauers oder Klempners angewiesen sind – oder Unterstützung beim Umzug brauchen. Sie müssen oft wochen-, teils sogar monatelang auf einen Termin warten.

Hurtige Helfer und die Haftung

Wer so viel Zeit nicht hat, dem bleibt meist nichts anderes übrig, als tatkräftige Freunde zusammenzutrommeln, die beim Schleppen helfen, Möbel zusammenbauen oder die neue Waschmaschine anschließen. Doch so schön diese Hilfsbereitschaft auch ist: Sie kann erhebliche Probleme aufwerfen. Denn wenn bei solchen Freundschaftsdiensten etwas schiefgeht, stellen sich oft komplexe Haftungsfragen.

„Im Bereich Umzugshilfe gibt es oft Sonderregeln für die Schadensregulierung“

Zwar schreibt das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) in § 823 vor, dass jeder, der „das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt“, den daraus entstehenden Schaden ersetzen muss. Doch wie fast immer in der Juristerei gibt es von der Regel eine Ausnahme – mindestens. „Bei Freundschaftsdiensten und Gefälligkeiten erscheint es oft als nicht angemessen, hilfsbereite Mitmenschen denselben strengen Haftungsregeln zu unterwerfen wie einen Randalierer, der aus Langeweile fremde Autos zerkratzt“, sagt Randhir K. Dindoyal, Rechtsanwalt in München.

Eine Entschädigung ist eher selten

Bei privaten Helfern unterstellen die Gerichte daher oft, dass die Parteien stillschweigend einen Haftungsausschluss vereinbart haben. Eine Entschädigung gibt es nur, wenn der betreffende Helfer einen Schaden oder eine Verletzung vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht hat. Das dürfte bei Freundschaftsdiensten eher selten der Fall sein.

Um festzustellen, ob ein freundlicher Mensch in den Genuss eines Haftungsprivilegs kommt oder ob der Geschädigte im Fall der Fälle den regulären Anspruch auf Schadensersatz hat, gilt es zunächst, die Gefälligkeit von einem klassischen Vertrag abzugrenzen. Juristen stellen dabei darauf ab, ob die beteiligten Personen einen sogenannten Rechtsbindungswillen haben. Der befreundete Klempner, der nach Feierabend die Waschmaschine anschließt, aber dafür Geld verlangt, zielt damit erkennbar auf den Abschluss eines Vertrags. Der handwerklich versierte Nachbar, der sich spontan bereit erklärt, im Bad mit Hand anzulegen, will hingegen keine solche Rechtsfolge auslösen, sondern ist einfach nur gefällig. Damit haftet er für etwaige Wasserschäden, wenn überhaupt, nur eingeschränkt.

Bei Umzügen kommt es oft schnell zum Schadensfall.

Als Faustregel gilt: Wenn ein Helfer unentgeltlich arbeitet, werten die Gerichte das normalerweise als Indiz für einen schieren Freundschaftsdienst. „Teils bejaht die Rechtsprechung eine Gefälligkeit sogar dann, wenn die Helfer für ihre Unterstützung eine Aufwandsentschädigung oder ein Taschengeld erhalten haben“, betont Rechtsexperte Dindoyal.

Keine Haftungsansprüche entstehen übrigens auch, wenn sich jemand von einem anderen beraten lässt oder Auskunft erhält. Wer also vor einem wichtigen Bewerbungsgespräch einen Passanten nach dem Weg fragt, kann keine Schadensersatzansprüche geltend machen, wenn dieser ihm eine falsche Auskunft gibt, der Termin deshalb platzt und ein Konkurrent die lukrative Stelle bekommt. Die rechtliche Grundlage hierfür ist § 675 Absatz 2 BGB.

Gute Policen erhalten die Freundschaft

Grundsätzlich gilt damit: Einfache Missgeschicke oder lässliche Fehler unter Freunden lösen nicht ohne Weiteres einen Haftungsanspruch aus. Wenn also dem ungelernten Umzugshelfer eine teure Vase entgleitet und auf dem Boden zerschellt, kann sich der Unglücksrabe auf sein Haftungsprivileg berufen, und der Geschädigte bleibt auf dem Schaden sitzen. Ein Stresstest für jede Freundschaft.

Glücklich ist, wer in solchen Fällen auf seine private Haftpflichtversicherung verweisen und den Schaden über sie regulieren kann. Denn die Assekuranz übernimmt im Normalfall die Regulierung aller Schäden, die ihre Kunden grob oder leicht fahrlässig verursacht haben. Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs gilt das auch für Gefälligkeitsschäden (Az. IV ZR 467/15).

Dennoch lohnt es sich weiterhin, die Bedingungen der Gesellschaften genau unter die Lupe zu nehmen. So zahlen die meisten Versicherungen zum Beispiel nur, wenn der Schaden bei einem Fremden entstanden ist. Ausgeschlossen ist eine Regulierung hingegen, wenn die Habe eines Familienangehörigen zerstört wurde, der im selben Haushalt lebt wie der Schadensverursacher.

In einem solchen Fall kann es sich lohnen, die Verhältnisse vorab zu klären und den Helfer durch einen Zweizeiler ausdrücklich von einer etwaigen Haftung zu befreien. Doch selbst bei Nichtfamilienmitgliedern bedeutet eine Haftpflichtversicherung nicht ohne Weiteres, dass jeder Schaden vollständig reguliert wird. „Gerade im Bereich Umzugshilfe gibt es hier oft Sonderregeln“, warnt Rechtsanwalt Dindoyal. Und: Wer im Rahmen seiner Privathaftpflichtpolice eine Selbstbeteiligung vereinbart hat, muss diese dann auch bei einem Gefälligkeitsschaden zahlen.

Der Höchstbetrag der Versicherungssumme kann zudem je nach Police deutlich variieren. Ein genauer Check der Bedingungen vorab bewahrt hinterher vor bösen Überraschungen – und hilft zudem, die Freundschaft zu erhalten.

Wenn die Gefälligkeit zur Falle wird

Das Wichtigste im Überblick zum Thema Gefälligkeitsschäden.

  • Gefälligkeitsschäden sind Schäden, die bei einer freiwilligen, meist unentgeltlichen Tätigkeit entstehen. Also zum Beispiel, wenn sich Freunde gegenseitig beim Umzug oder beim Aufbau neuer Möbel helfen.
  • Um Hilfsbereitschaft nicht zur Haftungsfalle werden zu lassen, gelten bei Freundschaftsdiensten weitreichende Haftungserleichterungen. Allerdings sind Gefälligkeitsschäden über die private Haftpflichtversicherung abgedeckt. Eine solche Police sollte jedermann besitzen.
  • Die Haftpflichtversicherung zahlt für Schäden durch Freundschaftsdienste, solange der Helfer sie nicht vorsätzlich verursacht hat. Ausnahmeregelungen gelten allerdings oft für Verwandte oder Mitglieder desselben Haushalts.

Fotos: Adobe Stock

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